Überblick zum Lieferkettengesetz

Fabian Filipczyk

Industry Insights

Etwa 25 Millionen Menschen auf der Welt verrichten Zwangsarbeit. Gleichzeitig kommen weniger als 20% der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ihrer Selbstverpflichtung zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht nach, wie das Monitoring der Bundesregierung zum „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) zeigte. Aus diesem Grund verabschiedete der Bundesrat Ende Juni 2021 das sogenannte „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“. Ziel dieser neuen Gesetzesinitiative ist es, den Schutz von Menschenrechten entlang globaler Lieferketten zu verbessern. Demnach sollen deutsche Unternehmen dazu verpflichtet werden, zukünftig mehr Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechtsstandards, wie etwa das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsketten zu übernehmen. Das deutsche Gesetz dient außerdem als Vorlage für einen Gesetzesentwurf zur europaweiten Lieferkettenregelung, den die EU-Kommission zeitnah vorstellen will. 

5‑HT bietet Ihnen einen Überblick darüber, welche Unternehmen von dem neuen Lieferkettengesetz betroffen sind, wie der aktuelle Stand in der Chemieindustrie ist, welche Maßnahmen in welchem Zeitrahmen zu ergreifen sind und welche Konsequenzen bei etwaigen Verstößen drohen.

Für wen und ab wann gilt das deutsche Lieferkettengesetz?

  • Ab 01.01.2023 gilt das Lieferkettengesetz für alle Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung im Inland, die konzernweit min. 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.

  • Ab 01.01.2024 sinkt diese Schwelle und betrifft dann alle deutschen Unternehmen mit >1.000 Beschäftigten.

  • Das Gesetz gilt sowohl für das eigene Geschäft als auch für unmittelbare und teilweise auch mittelbare Zulieferer.

Welche Maßnahmen erfordert das Gesetz konkret?

Das Gesetz erfordert die Umsetzung von umfassenden Maßnahmen zur Risikoanalyse, Prävention und Abhilfe bei etwaigen Verstößen sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch in Bezug auf unmittelbare und mittelbare Lieferanten entlang ihrer Wertschöpfungskette. Dazu gehören:

  • Einrichtung eines Managementsystems bezüglich menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken

  • Betriebsinterne Zuständigkeit klären, bspw. durch die Ernennung eines Menschenrechtsbeauftragten

  • Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschiede

  • Jährliche Ermittlung und Bewertung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken

  • Umsetzung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern zur Vermeidung von Menschenrechtsverstößen

  • Ergreifen von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen (anlassbezogen auch bei mittelbaren Zulieferern)

  • Einrichtung eines Hinweisgeber- bzw. Beschwerdesystems

  • Jährliche schriftliche Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit

Wie ist der aktuelle Stand in der Chemiebranche?

Angesichts dieses umfangreichen Maßnahmenkatalogs stellt sich die Frage, wieviel sich in der Chemieindustrie in den Monaten seit Verabschiedung des Gesetzes schon getan hat und wie groß der Anteil an Betrieben ist, welche die geforderten Maßnahmen bereits auf freiwilliger Basis umgesetzt haben. Im Rahmen des CHEMonitor Trendbarometers, für den vom Beratungsunternehmen Camelot Management Consultants im Auftrag der Fachzeitung CHEManager im Zeitraum von September bis Oktober 2021 mehr als 200 Entscheider der Chemiebranche befragt wurden, zeigten sich folgende zentralen Ergebnisse:

  • 92% der befragten Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitern gaben an, bereits einen Verhaltenskodex in Lieferantenverträge aufgenommen zu haben. Bei Unternehmen bis 1.000 MA waren es lediglich 62%.

  • 82% (>1.000 MA) bzw. 54% (<1.000 MA) haben ein Managementsystem für menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken implementiert.

  • Nur 29% (>1.000 MA) bzw. 10% (>1.000 MA) haben einen Menschenrechtsbeauftragten ernannt und nur 65% (>1.000 MA) bzw. 21% (<1.000 MA) haben ein Hinweisgebersystem implementiert.

Hieraus lässt sich schlussfolgern: 
-> Kleine und mittelständische Unternehmen haben zwar ein Jahr mehr Zeit, aber aktuell auch noch deutlich mehr Anpassungsbedarf für die Umsetzung des neuen Gesetzes
-> Große Unternehmen und Betriebe, die Mitglieder entsprechender Initiativen der Chemiebranche, wie beispielsweise „Chemie hoch 3“ oder „Together for Sustainability“, sind, sehen sich für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen gut vorbereitet. Wer bereits freiwillig entsprechende Maßnahmen umgesetzt hat, ist daher aktuell im Vorteil gegenüber dem Wettbewerb.

Welche Herausforderungen erwarten die Unternehmen bei der Umsetzung?

In der CHEMonitor-Erhebung wurden die Vertreter aus der Chemiebranche außerdem zu den größten erwarteten Hürden in Verbindung mit dem Lieferkettengesetz befragt:

  • Im CHEmonitor gaben 83% der befragten Chemieunternehmen an, im hohen bürokratischen Aufwand eine mögliche Herausforderung zu sehen.

  • 58% nannten Rechtsuntersicherheiten bzgl. der Haftung, 55% fehlende Alternativen für wichtige Lieferanten und 55% fehlende Auditbereitschaft der Lieferanten als mögliche Hürden bei der Umsetzung.

Was erwartet Unternehmen bei Verstößen?

Da Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist für die Kontrolle der Umsetzung verantwortlich. Bei Verstößen sind im Gesetz folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Bußgelder von bis zu zwei Prozent des weltweiten, jährlichen Konzertumsatzes
    -> 100.000€ - 800.000€ Bei einem Umsatz von >400 Mio. € sogar noch mehr.

  • Bei Geldbußen >175.000€ können Unternehmen außerdem für max. 3 Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Wo können Unternehmen Hilfestellung bei der Umsetzung erhalten?

Die Bundesregierung hat einen Helpdesk für Fragen und Beratung zum neuen Lieferkettengesetz eingerichtet, weitere Infos unter:

Telefon: +49 (0) 30 590 099 430
E-Mail: HelpdeskWiMR@wirtschaft-entwicklung.de
Website: wirtschaft-entwicklung.de/wirtschaft-menschenrechte

Doch auch ein Blick in die Welt der Startups lohnt sich, denn hier gibt es bereits eine Vielzahl an Unternehmen, die ganzheitliche Lösungen anbieten, welche bei der künftigen Implementierung der geforderten Maßnahmen des Lieferkettengesetzes helfen. So unterstützen Startups etwa bei der Überwachung und Risikoanalyse entlang der gesamten Supply Chain, bei der Umsetzung und Verfolgung von Präventionsmaßnahmen sowie beim Sammeln von Daten zum Zwecke der Dokumentation und für das Reporting an wichtige Stakeholder.

5-HT hat eine Reihe von Netzwerkstartups, die sich mit dem Themengebiet „Lieferkettengesetz“ beschäftigen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie mehr zu unseren Unterstützungsmöglichkeiten erfahren wollen:

stefan.kohl@5-ht.com
frank.funke@5-ht.com

Quellen:
- https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferkettengesetz#anc=id_59604_59604- https://www.chemie.de/news/1173494/lieferkettengesetz-chemie-erwartet-hohen-buerokratieaufwand.html
- https://www.chemanager-online.com/news/lieferkettengesetz-bringt-neue-regeln-fuer-unternehmen?elq_mid=55593&elq_cid=29670573&utm_campaign=35480&utm_source=eloquaEmail&utm_medium=email&utm_content=EMAIL%20GIT%20CHEManager%20newsletter%20DE%201ST%20210923%20GSALL%20-%20CHEMonitor-Umfrage
- https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lieferkettengesetz-lieferkette-1.5222519
- CHEmonitor Nr. 37: https://www.chemanager-online.com/news/chemonitor-2-2021-verantwortung-der-lieferkette
- https://sustainabill.de/lieferkettengesetz/?lang=de 

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