Mit Blockchain-Technologie zur digitalen Lieferkette
Judith Hillen
Das Startup Arxum versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Supply Chain zu digitalisieren, ohne sich dabei Gedanken um die Cybersicherheit machen zu müssen. Denn durch die Blockchain-Technologie werden keine Daten gespeichert, sondern lediglich die Regeln, nach denen einzelnen Akteuren Zugriff darauf gewährt wird. Dr. Markus Jostock ist Geschäftsführer und Mitgründer des in Kaiserslautern ansässigen Startups, das seit Kurzem Teil des Netzwerks von 5-HT ist. Zusammen mit Project Manager Kamil Gaweda erklärt er im Interview, wie Arxum neben der Datensicherheit auch die IT-Integration erleichtert und wie insbesondere Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie von einer digitalisierten Lieferkette profitieren können.
ARXUM Markus JostockARXUM Kamil GawedaWelche Hindernisse gibt es bei der Digitalisierung von Supply Chains?
Dr. Markus Jostock: Digitalisierung ist das Kernthema in der Logistik. Bislang sind Supply Chains schon zum Teil digitalisiert, aber nicht ganzheitlich. Ein großes Hindernis ist dabei die IT-Integration: Jedes Unternehmen hat viele verschiedene Lieferanten, ebenso wie jeder Lieferant verschiedene Kunden hat. Wenn jeder der beteiligten Akteure eine andere Cloud nutzt, wird die IT-Integration sehr aufwendig und teuer. Dieses Problem besteht häufig auch unternehmensintern, wie wir in Gesprächen mit Chemieunternehmen gemerkt haben: Durch Zukäufe von Werken haben große Konzerne häufig eine sehr zerklüftete IT-Landschaft, weil jedes Werk ein eigenes ERP- oder Warehouse-Management-System verwendet. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Datensicherheit: Um sensible Informationen vor dem Zugang durch Dritte zu schützen, werden Datenbanken in der Regel nicht miteinander verbunden. Die fehlende Digitalisierung von Lieferketten kann allerdings existenzgefährdend werden, wie sich gerade in der Coronakrise deutlich gezeigt hat. Unternehmen sind auf einen guten Überblick über ihre Supply Chains angewiesen und müssen zum Beispiel in der Lage sein, schnell herauszufinden, bei welchem Lieferanten sie welche Produkte bestellen können, wenn eine Lieferkette zusammenbricht.
Wie funktioniert die Digitalisierung von Supply Chains mit Arxum?
Kamil Gaweda: Supply Chains haben zwei Ebenen: erstens der Transport von Produkten von A nach B, und zweitens der Austausch von Daten über diesen Transport. Die Besonderheit von Arxum ist, dass wir eine dritte Ebene über den beiden bestehenden Ebenen installieren – eine Blockchain-Ebene, auf der nicht die Daten selbst, sondern nur die Regeln abgespeichert sind, die festlegen, welcher Akteur Zugriff auf welche Daten haben darf.
Wie erleichtert Arxum dabei die IT-Integration zwischen verschiedenen Akteuren?
Dr. Markus Jostock: Im Rahmen von groß angelegten IT-Integrationsprojekten ist es zwar möglich, ein neues System einzuführen, in das alle Daten aus den bisherigen Systemen, zum Beispiel aus den verschiedenen Werken eines Konzerns, integriert werden. Solche Projekte sind allerdings sehr teuer. Mit Arxum können sich unsere Kunden diesen Aufwand sparen, denn wir docken bei den einzelnen bestehenden Systemen einfach einen Connectivity Agent an, der eine Verbindung zwischen interner Datenbank und Blockchain herstellt. Durch diesen Adapter können wir die Daten aus unterschiedlichen Systemen zusammenführen, sodass die bereits existierenden Systeme weiter genutzt werden können und kein großes IT-Integrationsprojekt nötig ist.
Arxum VisualWie wird dabei die Datensicherheit gewährleistet?
Dr. Markus Jostock: Der Connectivity Agent regelt wie ein Türsteher, welcher Supply-Chain-Partner Zugriff auf welche Daten haben darf. Dafür nutzen wir Blockchain-Technologie. Bei diesem Thema wird man schnell missverstanden, weil Unternehmen ihre Daten natürlich nicht über eine Blockchain für jeden öffentlich zugänglich machen wollen. Doch in unserem System befinden sich überhaupt keine Produktionsdaten in der Blockchain. Die Blockchain-Ebene ist lediglich eine Governance-Ebene, auf der durch einen sogenannten Smart Contract festgelegt wird, unter welchen Bedingungen die automatisierte Datenübertragung von A nach B stattfinden darf. Dieses Skript kann nicht spurlos geändert werden, denn dafür ist immer eine kryptografische Authentifizierung nötig. Durch die Blockchain können Unternehmen somit ihre Datenaustauschprozesse optimieren und gleichzeitig die Kontrolle über ihre Daten behalten.
Aus welchen Branchen kommen eure Kunden?
Kamil Gaweda: Viele unserer bisherigen Kunden sind Unternehmen aus der Automobilindustrie, aber zurzeit richten wir uns auch stärker auf die Pharma- und Chemieindustrie aus. Wir arbeiten bereits mit den ersten Kunden aus dem Recycling-Bereich zusammen und führen aktuell auch Gespräche mit großen Chemieunternehmen. Die grundlegende Technologie von Arxum ist immer gleich, aber mit der entsprechenden Programmierung des Smart Contract kann sie für sehr verschiedene Use Cases eingesetzt werden.
Welche Anwendungsfälle sind insbesondere für die Pharma- und Chemieindustrie relevant?
Dr. Markus Jostock: Der automatisierte Zugriff auf Datensilos innerhalb von Lieferketten kann in Pharma- und Chemieunternehmen dazu beitragen, Prozesse zu beschleunigen, weil manuelle Anfragen bei Lieferanten wegfallen. Unsere Lösung kann auch für das Management des internen Materialbestands genutzt werden, wenn zum Beispiel Informationen aus verschiedenen Standorten integriert betrachtet werden sollen.
Kamil Gaweda: Ein besonderes Potenzial liegt im Tokenizing, in der digitalen Abbildung physischer Güter. Einer unserer Kunden, ein Recycling-Unternehmen aus Großbritannien, nutzt unsere Lösung bereits für das Tokenizing von Recycling-Kunststoffen, um die Echtheit der recycelten Materialien sicherzustellen. Eine Tonne Rohmaterial generiert dabei einen digitalen Token, sodass vom Rohstoff über das Produkt bis zum Recyclingprozess genau identifiziert werden kann, welche Materialien eingesetzt und am Ende wieder in den Materialfluss zurückgeführt worden sind. Diese Technologie macht es unseren Kunden somit möglich, über Zertifikate die Materialbeschaffenheit ihrer Produkte zu dokumentieren oder umgekehrt Materialien mit einem bestimmten Herkunftsnachweis einzukaufen. Darüber hinaus birgt unsere Lösung große Potenziale im Audit-Bereich, da durch die Blockchain zweifelsfrei dokumentiert wird, wer welche Daten wann und wie ausgetauscht hat.
Wie kam es zur Gründung von Arxum?
Dr. Markus Jostock: Vor der Gründung von Arxum war ich bei AREND Prozessautomation GmbH für die Cybersicherheit in der Produktionsdigitalisierung zuständig. Als das Thema Blockchain aufkam, haben wir uns zunächst gefragt, ob man Produktionsmaschinen über einen IoT-Gateway direkt an die Blockchain anschließen kann. Bald wurde uns jedoch bewusst, dass man mit der Blockchain noch viel weiter gehen und die gesamte Supply Chain digitalisieren kann. 2017 starteten wir zunächst mit einem unternehmensinternen Projekt, 2019 folgte dann die offizielle Gründung von Arxum zusammen mit meinem damaligen Chef Axel Haas und mit Jens Harig, der Erfahrung als CEO eines börsennotierten IT-Unternehmens hat. Aktuell hat Arxum zehn Mitarbeiter in Deutschland und Frankreich. Mit unserem Standort in Kaiserslautern haben wir eine gute Anbindung an Forschung und Industrie, auch durch die Nähe zum Chemiecluster in Mannheim/Ludwigshafen.
ARXUM TeamWas sind die nächsten Ziele für Arxum?
Dr. Markus Jostock: Wir wollen unsere Lösung verstärkt in den Industrieeinsatz bringen und neue Kunden finden, denen wir zeigen können, dass unser System funktioniert und einen Mehrwert bieten kann. Im nächsten Jahr steht außerdem eine weitere Finanzierungsrunde an.
Was erhofft ihr euch davon, Teil des Netzwerks von 5-HT zu sein?
Dr. Markus Jostock: Durch 5-HT haben wir Zugang zu einem großen Chemieunternehmen bekommen und auch bereits erste Gespräche führen können. Allgemein erhoffen wir uns größere Aufmerksamkeit dafür, dass wir gemeinsam mit Unternehmen aus dem Netzwerk von 5-HT Probleme lösen können, die vielleicht gerade durch die Coronakrise nach oben gespült worden sind. In der letzten Zeit hat man festgestellt, dass diejenigen Geschäfte, die einigermaßen digital aufgestellt waren, weitergelaufen sind, während diejenigen, die darauf angewiesen waren, dass Personal vor Ort ist, in Schwierigkeiten geraten sind. Dadurch ist nun vielen Unternehmen bewusst geworden, wie wichtig die Digitalisierung von Lieferketten ist. Die Digitalisierung ist außerdem der einzige Weg für Unternehmen, um nachhaltig Kosten zu sparen. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels bleibt der Industrie in Deutschland letztlich gar nichts anderes übrig, als auf die digitale Transformation zu setzen. Wir bei Arxum helfen unseren Kunden gerne dabei, mit ihnen gemeinsam ihre Prozesse zu analysieren und eine ganzheitliche Digitalisierung ihrer Supply Chains zu realisieren.
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