„Gebt digitalen Lösungen eine Chance!“
Ronja Schrimpf
… und zwar gerade im Sozial- und Gesundheitswesen. Denn ohne digitale Lösungen sind die aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen – wie die steigende Zahl an Pflegebedürftigen oder die sinkende Zahl von Pflegekräften nicht mehr zu bewerkstelligen.
Daher bietet das Startup nubedian auf einer übergreifenden Plattform basierende Softwarelösungen, die auf verschiedene Anwendungsbereiche im Sozial- und Gesundheitswesen angepasst sind: Von Reha-Management und Pflege- und Wohnberatung über Mobile Health und Telemedizin bis zu Entlassmanagement für den Sozialen Dienst. Mit ihrem neuesten Produkt Caseform weitet nubedian sein Angebot auf die Vernetzung von Organisationen aus, die für das Entlassmanagement zuständig sind. Im Gespräch mit 5-HT erzählt Bruno Rosales Saurer, wieso eine sektorenübergreifende Plattform für das Sozial- und Gesundheitswesen so wichtig ist – und wie nubedian mit digitalen Lösungen einen konservativen Markt erobert.
nubedian Co-Geschäftsführer Bruno Rosales Saurer und Mathias Schmon‚Nubes‘ (lat.): Die Wolke. ‚nubedian‘: Die Wolke aus cloudbasierten Lösungen.
„nubedian ist ein Softwaredienstleister für das Sozial- und Gesundheitswesen. Das heißt, wir bieten Lösungen für verschiedene Probleme und für sektorenübergreifende Themen an“, erklärt Geschäftsführer Bruno Rosales Saurer, „Wir bieten also eine allgemeine Plattform im Sozial- und Gesundheitswesen.
Das ist auch unsere Besonderheit: Wir sind ein Unternehmen, das sich mit verschiedenen Bereichen im Sozial- und Gesundheitswesen beschäftigt und daher das Knowhow und den Zugang zu verschiedenen Teilbereichen hat. Wir bieten eine integrierte Lösung an und können verschiedene Märkte zusammenbringen. Und unsere Produkte befruchten sich gegenseitig.“
Von der Forschung direkt auf den Markt – Aber wie?
Gegründet haben nubedian Co-Geschäftsführer Mathias Schmon und Bruno Rosales Saurer, der damalige Abteilungsleiter des FZI Forschungszentrums Informatik im Jahr 2011. „Ich war auch von Anfang an dabei, habe aber parallel noch am Forschungszentrum gearbeitet. Irgendwann bin ich dann komplett bei nubedian eingestiegen.
Wir haben damals am FZI Forschungszentrum Informatik gearbeitet. Eines unserer Forschungsprojekte drehte sich darum, pflegende Angehörige mit Technologien zu unterstützen. Etwa zur gleichen Zeit gab es eine gesetzliche Änderung, die auch pflegenden Angehörigen ein Recht auf Pflegeberatung sicherstellt. Deswegen entwarfen wir einen Prototyp zur Dokumentation dieser Pflegeberatung – und bekamen überraschend viele Anfragen zu unserem Prototyp. Das bestätigte uns darin, dass es auch außerhalb der Forschung Interesse an unseren Technologien gab. Wir entschieden uns, es mit unserem Prototyp zu wagen – vorausgesetzt, wir bekämen die finanziellen Mittel dazu. Wir erhielten dann das EXIST-Gründerstipendium und konnten 2011 schon unser erstes Produkt auf den Markt bringen.“
Wer auf den Markt will, muss eine integrierte Lösung anbieten.
„Gestartet ist nubedian mit dem Produkt CareCM. Es ermöglicht und erleichtert die Dokumentation und Verwaltung in der Pflegeberatung, im Bereich der Pflegestützpunkte und des Quartiersmanagement. Mit CareSDbieten wir außerdem eine Dokumentations- und Verwaltungsplattform für die Soziale Arbeit und das Entlassmanagement für Akut- und Rehakliniken. Für die Dokumentation und Verwaltung in der Reha-Beratung haben wir CareBV entwickelt. Mit CareMH binden wir zusätzlich chronisch erkrankte Patienten in ambulante Versorgungskonzepte mit ein, besser bekannt unter Telemedizin oder mobile health. Diesen Plattformbereich setzen wir zum Beispiel auch bei der Heimdialyse ein. Wir haben also eine allgemeine Plattform entwickelt, die wir auf spezielle Sektoren angepasst haben.
Caseform Entlassungsmanagement-PlattformUnser neuestes Produkt ist Caseform. Es unterscheidet sich sehr von unseren anderen Produkten und wird auf einer neuen Plattform angeboten. Caseform ermöglicht eine Art Matchmaking: Es unterstützt als Kommunikationsplattform die Überleitung von Patienten von einer zur nächsten Einrichtung im Gesundheitswesen. Zum Beispiel können Kliniken mit Caseformden besten ambulanten Pflegedienst zur Nachbehandlung ihrer Patienten suchen und mit diesem dann auch kommunizieren. So werden Kommunikationsprobleme oder gar ein fehlender Austausch zwischen den Einrichtungen und Dienststellen vermieden.“
Caseform GerätefamilieWer auf den Markt will, muss ihn auch kennen. Oder jemanden haben, der den Markt kennt.
„Mein Mitgründer Mathias kommt aus dem Bereich Betriebswirtschaft und ich aus der Elektro- und Informationstechnik. Keiner aus unserem Team kommt aus der Pflege. Das muss aber kein Nachteil sein. Zwar kannten wir nicht von Anfang an den Markt und konnten ihn noch nicht so gut einschätzen. Aber wir haben uns das Wissen über unsere Partner eingeholt. Wir arbeiten noch heute mit Fachleuten und Menschen aus der Pflege zusammen, damit wir bei Entscheidungen richtig beraten sind.
nubedian TeamDas kann ich auch nur anderen Gründern empfehlen: Holt euch jemanden dazu, der den Markt kennt und Kontakte hat. Denn Kontakte sind in dieser Branche das A und O. Durch Kontakte können euch Türen geöffnet werden. Aber auch Netzwerke wie 5-HT können euch Türen öffnen.
Außerdem solltet ihr regelmäßig mithilfe externer Partner überprüfen, wie der Stand eurer Produkte ist. Nur so kann man die richtigen Maßnahmen treffen.“
Wer auf den Markt will, muss auch mal harte Entscheidungen treffen.
„Als Gründer hat man sehr viele Ideen und kann sich manchmal nicht eingestehen, wenn eine davon einfach nicht gut ist. Deshalb sollte man immer Feedback einholen und Ziele definieren, die auch erreichbar sind. Und wenn sie nicht erreichbar sind, muss man auch mal eine harte Entscheidung treffen und sich dem Markt anpassen.
Es ist sehr schwer, auf diesen Markt zu kommen. Die Hürden sind groß und der Markt sehr konservativ. Für Startups sind auch Ausschreibungen sehr problematisch: Ab einer gewissen Summe müssen beispielsweise Krankenhäuser die Vergabe ausschreiben. Aber als Startup scheitert man selbst mit der besten Lösung meistens an den Ausschreibungskriterien, da Umsätze gefordert werden, die man als Startup einfach noch nicht haben kann. Dazu kommen die sehr hohen regulatorischen Anforderungen, beispielsweise im Datenschutz. Viele erfolgreiche Unternehmen, die international erfolgreich sind, lassen deshalb die Finger vom deutschen Markt. Wie soll man also als Startup den Eintritt in einen Markt schaffen, in dem Größe und Umsätze am wichtigsten sind?
Wir haben uns da mittlerweile durchgekämpft und eine Ausschreibung gewonnen, bei der wir ein ganzes Bundesland mit unseren Lösungen bedienen können. Aber am Anfang wäre uns das nicht möglich gewesen.“
Was sollte sich am Markt für junge Unternehmen ändern?
„Es gibt sehr viele Ängste und Vorurteile gegenüber technischen Lösungen, darunter auch die Angst, durch diese Lösungen ersetzt zu werden. Das macht es Startups sehr schwer, auf den Markt zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass Startups mehr wertgeschätzt werden, gerade im Sozial- und Gesundheitswesen. Außerdem sollte überlegt werden, wie junge Unternehmen, die noch nicht solche Umsätze oder Möglichkeiten haben wie große Unternehmen, die Chance bekommen, auch auf diesem Markt Fuß zu fassen. Auf der regulatorischen Ebene sollten Hürden für Startups abgebaut werden. Das wird zum Teil auch schon vom Gesundheitsministerium versucht.
Nicht alles, was digital ist, ist böse. Das sollte auch mehr kommuniziert werden. Und vielleicht sind auch nicht alle Regulatorien zum Datenschutz oder Ähnlichem sinnvoll. Man sollte digitalen Lösungen eine Chance geben – gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Ohne Digital Health werden wir die Entwicklungen in diesem Bereich gar nicht schaffen.“
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