Digitale ambulante Pflege: eine App für die Helden unserer Gesellschaft
Katharina Kittelberger
Jeder fünfte Deutsche ist in die Pflege eines Angehörigen involviert. Doch statt diese Zeit zu genießen empfindet ein Großteil dieses Jonglieren von Arztterminen, Erlernen von Pflegehandgriffen oder Suchen nach relevanten Informationen als ausgesprochen belastend. Markus C. Müller, CEO, erkannte diese Problematik und gründete im Jahr 2018, zusammen mit einem interdisziplinären Expertenteam aus den Bereichen Pflege und IT, die Nui Care GmbH.
Ziel dieses Münchner Startups ist es, die pflegenden Angehörigen mittels eines digitalen Begleiters in deren Pflegealltag zu unterstützen. Dies erstreckt sich auf organisatorische und individuelle Themen. Somit kreieren sie – ganz im Sinne der UN Sustainable Goals 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ – eine Zukunft, in der Pflege nicht gleichbedeutend mit Belastung ist. Damit verbleibt mehr Zeit für die wichtigen Dinge.
Motivation ist die ambulante Pflege langfristig zu verbessern
„Während meiner Ausbildung zum Hospizbegleiter vor sechs Jahren wurde mir schlagartig vor Augen geführt, wie überfordert die meisten pflegenden Angehörigen sind. Leider ist es keine Seltenheit, dass diese nach Jahren der Pflege zu Hause, wiederum selbst krank und somit zum Pflegefall werden. Als Software-Unternehmer dachte ich mir, wie sinnvoll es doch wäre, die ambulante Pflege digital zu unterstützen.
Den Umzug in ein Pflegeheim möchten wir möglichst weit hinauszögern, oder gar- verhindern.
„Auch die Eltern von meinem Co-Founder Christian Ehl sind mittlerweile in einem pflegebedürftigen Alter. Als Chris sich mit dem Thema Pflege zu Hause auseinandergesetzt hat, merkte auch er schnell, dass es eigentlich keine digitale Hilfestellung für Pflegende Angehörige gibt.”
In Deutschland gibt es über vier Millionen Pflegebedürftige. Die große Mehrheit von diesen wird Zuhause gepflegt.
„Bei unserem Nui handelt es sich um eine bahnbrechende Künstliche Intelligenz.
Weil wir diesen Chat-Bot mit viel Expertenwissen aus der Pflege gefüttert haben, kann er auf die ihm gestellten Fragen gezielt antworten und ist somit ein optimaler Berater in Sachen Pflege- und Pflegealltag. Damit können wir prinzipiell all jene entlasten, die Zuhause pflegen. Ob das nun Familienangehörige sind, Pflegedienste, Freunde oder Nachbarn - all diese Menschen unterstützen wir.
Ganz grundsätzlich setzt sich Nui aus zwei Teilen zusammen. Der erste besteht aus allem Organisatorischem, wie beispielsweise der Organisation vom Pflegealltag, die Bildung von Familiengruppen oder öffentlichen Diskussionsforen. Der individuelle Ratgeber Nui bildet den zweiten Teil. Diesem können Fragen rund um Pflegethemen gestellt werden. Dadurch, dass sich Nui’s Antworten ausschließlich auf die individuelle Situation unserer Nutzer beziehen, erhalten diese ausschließlich die für sie relevante Informationen.”
Denn wer möchte sich schon stundenlang durch Berge von Informationen wühlen, und sich alles Relevante selbst zusammensuchen?
„Der Chat mit Nui gleicht so gesehen einem Expertengespräch. Alles Relevante wird mir mitgeteilt - das spart neben Geduld natürlich auch kostbare Zeit.”
Nui – der digitale ExperteKlingt plausibel. Doch eine KI wirkt immer abstrakt, die Pflege jedoch praxisbezogen. Kann sich das vereinen?
„Mit Sicherheit. Nicht zuletzt macht Nui die Arbeit auch nicht allein. Sollte Nui eine Frage nicht beantworten können, wird diese an unsere Pflegeexperten weitergeleitet, welche sich dann persönlich darum kümmern. Dadurch, dass unsere Nutzer praxisnahen Beispiele vermittelt bekommen, lernen diese, sich in gewissen Situationen angemessen zu verhalten, oder mit besonderen Umständen entsprechend umzugehen. Außerdem stehen den Nutzern in der App hilfreiche Dokumente zum Downloaden zur Verfügung. Beispielsweise Musteranträge zum Einreichen von Urlaubstagen, oder zur Beantragung von Pflegezeit.
Somit können sich unsere Nutzer nicht nur fortbilden, sondern auch die Pflege zu Hause entspannter verbringen.”
Ein interessanter Ansatz. Wie kann euch Nui Care Gewinn einbringen?
„Eines vorweg: Für den Endnutzer soll die App kostenlos zur Verfügung stehen. Um dies zu ermöglichen, möchten wir Nui auf drei Wegen monetarisieren. Zum einen über die Arbeitgeber, welche die App kaufen können, um sie dann den Mitarbeitern, die dafür Verwendung haben, kostenlos zur Verfügung zu stellen."
In Deutschland sind ca. 10 % aller Arbeitnehmer in einer Pflegesituation. Bei einem Unternehmen mit 5.000 Angestellten, sind das ca. 500.
„Das ist ausgesprochen sinnvoll, denn wenn Mitarbeiter weniger von der Pflege abgelenkt sind, können diese effektiver arbeiten und werden seltener krank. Zum anderen planen wir mit Versicherungen zu kooperieren, wie wir es beispielsweise bereits seit 2020 mit der Allianz tun. Diese profitieren langfristig von unserem Konzept, denn die ambulante Pflege ist kostengünstiger als Pflegeheime. Letztlich befasst sich das Bundesministerium für Gesundheit aktuell mit dem Gesetzgebungsverfahren der sogenannten digitalen Pflegeanwendung. Dieses soll künftig ermöglichen, dass unsere App durch die Pflegekasse erstattet wird.”
Bisher scheint ihr einen Lauf gehabt zu haben. Doch gab es in den vergangenen drei Jahren auch Rückschläge?
„Selbstverständlich, die gibt es als Unternehmen immer. Besonders die COVID-19-Pandemie hat sich für uns als zweischneidiges Schwert erwiesen. Einerseits hat das Thema Pflege enorm an Wichtigkeit gewonnen, da ältere Menschen offenkundig in Pflegeheimen isoliert wurden. Andererseits hat es sich noch nicht positiv für uns ausgewirkt, denn viele große Unternehmen finden unser Konzept zwar toll, haben aber wegen der anhaltenden Pandemie schlichtweg nicht die Zeit etwas Neues wie Nui einzuführen.
Die COVID-19-Pandemie hilft, und belastet uns zugleich.
Wo seht ihr euch in fünf Jahren – trotz Pandemie und mit Unterstützung von 5-HT?
„Nun, seit unserer Gründung haben wir uns allmählich auf dem Markt orientiert und diesen verstanden. Trotzdem lernen wir über unsere Zielgruppe aktuell noch immer viel. Unser Produkt möchten wir in Zukunft zum einen weiterhin optimieren, um unseren Nutzern bestmögliche Unterstützung zu bieten. Zum anderen möchten wir Nui Care auf den internationalen Markt bringen. Besonders die USA sind neben den europäischen Ländern, ein spannender Markt für uns. 5-HT sehen wir in diesem Zusammenhang als Sprungbrett an: Durch deren ausgezeichnete Vernetzung erhoffen wir uns, über Partnerschaften einen noch besseren Zugang zu unserer Zielgruppe zu bekommen.
Wenn wir es also schaffen die Schultern der Angehörigen in der ambulanten Pflege auch nur in Teilen zu entlasten, damit diese seltener krank oder arbeitsunfähig werden, dann haben wir unser Ziel erreicht.”
Herzblut und Leidenschaft - ein Rat für Gründer
„Mit einem Unternehmen sind viele Höhen und Tiefen verbunden, was es unglaublich anspruchsvoll macht. Um langfristig durch die Täler und in die kommenden Steigungen zu gehen, braucht es ein Thema, das einen auf individueller Ebene emotional berührt. Denn nur durch diese Art der Begeisterung wird vorzeitiges Aufgeben verhindert.”
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