Bereit für die digitale Zukunft? Wie sich Unternehmen für die Digitale Transformation rüsten können

Celine Jörns

Industry Insights

Unsere ehemalige Werkstudentin, Celine Jörns hat am Strategiekurs von Prof. Eichsteller im Rahmen ihres Masters in Medien- und Kommunikationsmanagement an der Hochschule der Medien teilgenommen. In der Strategie Challenge 2023 hat sie gemeinsam mit ihren engagierten Kommilitonen Impulse von Young Professionals zu den Erfolgsfaktoren der Zukunft gesammelt. Die Gespräche lieferten faszinierende Einblicke in die Zukunft der Digitalisierung, die Chemie- und Gesundheitsbranche sowie die Innovationslandschaft. 

Kein einziges eigenes Ladengeschäft und trotzdem größter globaler Buchhändler. Kein einziges eigenes Hotel und trotzdem die Hotelkette mit den besten Bewertungen. Kein einziges eigenes Fahrzeug und trotzdem milliardenschwerer Mobilitätsanbieter. Wer sofort an Amazon, AirBnB und Uber denken muss, liegt damit goldrichtig. Doch was haben diese drei Unternehmen außer einem herausragenden globalen Unternehmenserfolg gemeinsam? Sie alle haben sich die Möglichkeiten digitaler Lösungen zu Nutze gemacht, neue disruptive Geschäftsmodelle entwickelt und damit etablierte Player ihrer Branchen verdrängt. Spätestens an dieser Stelle wird damit deutlich welche Auswirkung die Digitalisierung auf die Wirtschaft hat und wie dringlich eine Anpassung der Strategiearbeit sowie eine digitale Transformation etablierter Unternehmen ist.  

Was bedeutet Digitale Transformation?

Durchforstet man die Medien nach einer allgemeingültigen Definition für die Digitale Transformation, sucht man vergeblich. Zudem fällt auf, dass die Begriffe Digitalisierung und Digitale Transformation häufig synonym verwendet werden, obwohl sie nicht dasselbe bedeuten. Die Digitalisierung beschreibt zunächst die reine Umwandlung analoger Informationen in digitale Daten, im weiteren Sinne aber auch die Ergänzung oder sogar Ablösung analoger Prozesse durch Technologien. Digitale Transformation setzt zwar Digitalisierung voraus, geht aber darüber hinaus. Sie stellt als ganzheitlicher Prozess bestehende Geschäftsprozesse fortlaufend in Frage und beschreibt dabei bewusst herbeigeführte Veränderungen auf Basis digitaler Anwendungen. Diese dienen dazu, neue Wertschöpfungspotenziale zu erschließen und können sogar neue Geschäftsmodelle herbeiführen. 

Digital Transformation – NOW!

Wie dringlich Digitale Transformation für Unternehmen ist, verdeutlichen ihre vier Eigenschaften: Sie ist unausweichlich, da Unternehmen den heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht mehr ohne digitale Lösungen begegnen können, sei es der demografische Wandel oder plötzliche Pandemien. Nutzer sind es zudem gewohnt mit digitalen Lösungen zu leben und möchten nicht mehr auf sie verzichten, wodurch die Transformation unumkehrbar wird. Was heute noch im Trend ist, kann morgen schon veraltet sein – die ungeheure Schnelligkeit der Digitalen Transformation erfordert sofortiges Handeln. Damit geht auch Unsicherheit einher, denn das Tempo neuer Entwicklungen und Technologien sorgt dafür, dass nicht vorhersehbar ist, wer mit welchen Lösungen erfolgreich sein wird. Es wird deutlich, dass die Digitale Transformation nicht nur eine Modeerscheinung darstellt und für Unternehmen längst nicht mehr optional ist. Stattdessen müssen neue Innovationsmethoden entwickelt, Mitarbeiter mit digitalen Fähigkeiten ausgestattet und auch solide Geschäftsmodelle und -prozesse in Frage gestellt werden. 

Ist ihr Unternehmen bereit für die Digitale Transformation?

Um zu überprüfen, ob das eigene Unternehmen für eine Digitale Transformation richtig aufgestellt ist, sollten Manager eine Analyse des Ist-Zustands durchführen. Dafür wird im Folgenden der Digital Readiness Index vorgestellt (s. Eichsteller & Lorenz, 2019 in Anlehnung an diconium strategy). Das Modell besteht aus zehn Dimensionen, die hinsichtlich ihrer digitalen Einsatzfähigkeit bewertet werden. Dabei kann das spinnennetzartige Tool individuell über Prozentsätze oder Scoring Modelle skaliert werden. Ziel ist es den Ist- und Soll-Zustand innerhalb des Modells zu visualisieren, indem die Scores im Spinnennetz eingetragen werden. 

Vision & Leadership: Hat das Management eine klare Vorstellung davon, wie sich die Digitalisierung auf Unternehmen, Positionierung und Wertschöpfung auswirkt?

Digital Customer Experience: Bietet das Unternehmen ein digitales Kundenerlebnis und  reagiert schnell auf veränderte Kundenbedürfnisse? 

Innovationsmanagement: Ist das Innovationsmanagement des Unternehmens gut aufgestellt?

Digital Operations / IT: Ist die IT-Ausstattung und das IT-Budget im Vergleich zum Wettbewerb überdurchschnittlich gut?

Forschung & Entwicklung: Stehen F+E die neuesten besten Systeme und Kapazitäten zur Verfügung?

Industrie 4.0: Bestehen Kompetenzen für die Industrie 4.0, Potenziale für IoT und Schnittstellen für eine digitale Lieferkette? 

Marketing / Vertrieb: Werden digitalen Ansätze in Marketing / Vertrieb genutzt (Echtzeitdatenanalyse, dynamisches Pricing, Personalisierung etc.)?

Work 4.0: Wie flexibel ist die Verwaltung, Arbeitszeit, Arbeitsorte und Rahmenbedingung für Mitarbeiter im Unternehmen?

Weiterbildung: Bestehen Maßnahmen zur Weiterbildung des Managements und der Mitarbeiter im Hinblick auf digitale Fähigkeiten? 

Kommunikation und Medien: Wird die Notwendigkeit digitaler Transformation im Unternehmen kommuniziert?

Strategische Zusammenarbeit mit Startups auf dem Weg zur Digitalen Transformation 

Als besonders innovativ und ready für die digitale Welt gelten Startups. Die Zusammenarbeit und Kooperation mit jungen Firmen stellt deshalb eine vielversprechende Möglichkeit für etablierte Unternehmen dar, um ihre Digitalstrategie voranzutreiben. Die beiden Partner können dabei gegenseitig voneinander profitieren. Während Startups neue Ideen leichter am Markt testen können, mehr digitales Know-How haben und erfahren mit dem Einsatz neuer Technologien sind, ermöglichen etablierte Unternehmen Zugang zu ihrem breiten Netzwerk und bieten Kapital für eine Expansion. Von Kunden-Lieferanten-Beziehungen, Projekt-Kooperationen, Co-Creation, Joint Ventures, Inkubatoren, Acceleratoren bis hin zu Übernahmen gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit, die das Management in Betracht ziehen sollte. Eine Befragung von 604 Unternehmen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom zeigt allerdings, dass nur jedes vierte Unternehmen mit Startups kooperiert und damit Chancen im Zuge der Digitalen Transformation verpasst. „Kaum ein Unternehmen wird in Zukunft noch ohne digitales Geschäftsmodell auskommen. Gerade für den Mittelstand ist die Zusammenarbeit mit Startups oft der beste Weg, Zugang zu neuen Technologien und digitalen Innovationen zu bekommen“, so Bitkom-Präsident Achim Berg.

Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt die Kooperation zwischen Unternehmen und Startups mit der Digital Hub Initiative. Unternehmen können sich hierbei an zwölf verschiedene Digital Hubs mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten wenden und werden mit Startups zusammengebracht, um sich auszutauschen und digitale Lösungen zu entwickeln. Einer dieser Kompetenzstandorte ist Mannheim / Ludwigshafen mit dem 5-HT Digital Hub Chemistry & Health. Wie die Digitale Transformation in der Chemie-Branche voranschreitet und was es bei der Kooperation mit Startups für chemische Unternehmen zu beachten gilt, erzählen uns die beiden Geschäftsführer des Hubs.    

Experteninterview mit Dr. Frank Funke & Stefan Kohl 

Dr. Frank Funke und Stefan Kohl sind die beiden Geschäftsführer des 5-HT Digital Hub Chemistry & Health. Als zentraler Vermittler bietet dieser etablierten Unternehmen, Startups, Investoren und weiteren Akteuren die Möglichkeit, sich zu vernetzen, zu kooperieren und co-entwickeln, um digitale Lösungen zu fördern und die Digitalisierung zu beschleunigen. Die Schwerpunkte liegen auf der digitalen Chemie- und Gesundheitsindustrie.

Stefan Kohl & Dr. Frank Funke

1) Was sind die aktuellen Herausforderungen in der chemischen Industrie im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation?

Insbesondere die Chemische Industrie steht aktuell vor einer generellen Neubewertung hinsichtlich ihrer zukünftigen Strategie und Ausrichtung. Durch die Coronakrise und erst recht durch die Ukrainekrise sowie den European Green Deal müssen neue Strategien erarbeitet werden, die auch Auswirkungen auf die Digitale Transformation haben. Aktuell lassen sich vielfach Produkte (z.B. Düngemittel), deren Ausgangsprodukt Gas ist, in Europa kaum wirtschaftlich herstellen. Viele Anlagen sind abgeschaltet, andere Anlagen arbeiten nur eingeschränkt. Durch den European Green Deal werden zusätzliche Auflagen für die Produktion sehr vieler Chemikalien erhöht. Diese werden künftig wohl eher in anderen Teilen der Erde produziert und dann nach Europa exportiert. Dementsprechend wird die digitale Nachverfolgbarkeit und Kontrolle der Lieferketten weiter steigen. Im Logistikbereich wird es deshalb zu einer weiteren Zunahme der Digitalisierung kommen. Die Digitalisierung von Produktionsanlagen in Deutschland wird sich eher verlangsamen, weil noch nicht abschließend klar ist, ob Produktionen nicht komplett ins außereuropäische Ausland verlagert werden.

2) Wie reagiert das Management chemischer Industrieunternehmen Ihrer Erfahrung nach auf die Digitale Transformation? 

Hier gibt es keinen eindeutigen Trend. Die Digitale Transformation wird immer dort vom Management vorangetrieben wo tatsächlich kurzfristige Kosteneinsparungen zu realisieren sind oder wo regulatorische Vorgaben dies Erzwingen, z.B. bei der Erhebung von Daten. Vielfach haben wir aber auch den Eindruck, dass von der Digitalen Transformation auch nur vom Top-Management gesprochen wird, weil dies zum guten Ton gehört, während selbst einfachste Tätigkeiten in Chemiekonzernen, wie das Erfassen und Übertragen von Messergebnis noch händisch erledigt werden.

3) Wie schlägt sich die chemische Industrie im Vergleich zu anderen Branchen zum Thema digitale Transformation? 

Glaubt man verschiedenen Umfragen ist die chemische Industrie leicht überdurchschnittlich zu anderen Branchen hinsichtlich der Digitalisierung aufgestellt. Dies hat sicher damit zu tun, dass schon vor Jahrzenten die Leitstände in Chemiefabriken digitalisiert wurden, als der Begriff Digitalisierung noch gar nicht gebräuchlich war.

4) Was müssen etablierte Chemieunternehmen oder Mittelständler für die Kooperation mit Startups beachten?

Grundsätzlich sollte Zeit und Geld für Innovationsprojekte bereitgestellt werden. Häufig sind die Fachabteilungen bereits ausgelastet, und es stehen weder Personal noch Budget für die Evaluierung und die mögliche Implementierung von Startup-Lösungen zur Verfügung. Es reicht aber nicht, einfach nur einen Innovationsmanager einzustellen und zu sagen, wir beschäftigen uns mit Startups. Unternehmen brauchen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen und Prozesse, um tatsächlich mit Startups zu interagieren. Zunächst einmal muss so klar wie möglich definiert sein, für welche Probleme das Corporate eine Lösung sucht. Diese Definition des Suchfelds sollte unter Berücksichtigung des Fachbereichs oder noch besser durch den Fachbereich selbst erarbeitet werden. Wenn klar ist, welche Herausforderungen es in den einzelnen Bereichen gibt, kann die Innovationsabteilung deutlich zielgerichteter nach Startup-Lösungen suchen.

5) Wie ist das Management chemischer Unternehmen Ihrer Erfahrung nach gegenüber einer Zusammenarbeit mit Startups, als Bestandteil ihrer Digitalstrategie eingestellt? 

Das Management steht einer Zusammenarbeit mit Startups eher zurückhaltend gegenüber. Zwar hat man verstanden, dass Startup Lösungen durchaus die Innovation im eigenen Unternehmen vorantreiben, die Erfahrung in größeren Unternehmen hat aber oftmals gezeigt, dass Startups die Komplexität nicht bewältigen können. Das führt teilweise zu einer gewissen Zurückhaltung. Die Digitalstrategie des BMWK spielt hier keine Rolle, da diese zur Zeit nur in Fachkreisen zwar bekannt, jedoch auch hier kaum verstanden ist.

8) Welche Handlungsempfehlungen können Sie abschließend zum Umgang mit der digitalen Transformation in der Chemie-Branche geben?

Grundsätzlich muss man bei der digitalen Transformation in der Chemiebranche auf den jeweiligen Einzelfall abstellen. Produzierende Unternehmen sind anders zu betrachten als Unternehmen, die z.B. Chemikalienhandel oder -distribution tätig sind. Vieles hängt oft von der Firmenphilosophie und der Einstellung des Managements und der Mitarbeiter für dieses Thema ab. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es aus unserer Sicht entscheiden darauf ankommt, dass man klar abgegrenzte Projekte definiert, deren Größe eine tatsächliche Realisierung wirklich ermöglichen und sicher erscheinen lassen. Ausgehend von diesen Erfolgen kann man dann weitere Schritte im Rahmen seiner digitalen Agenda planen und die benötigten Mitstreiter von diesem Weg überzeugen und mitnehmen.

KEY TAKEAWAYS

·        Hinterfragen Sie fortlaufend ihre Geschäftsmodelle & -prozesse 

·        Überprüfen Sie die Digital Readiness Ihres Unternehmens uns setzen Sie Schwerpunkte für Ihre Digitalstrategie

·        Halten Sie Ausschau nach digitalen Startup-Lösungen, um ihre Digitalstrategie voranzutreiben

·        Definieren Sie dafür deutlich für welche Probleme Sie Lösungen benötigen – am besten direkt in der Fachabteilung 

·        Planen Sie ausreichend Ressourcen für Digitalprojekte ein 

·        Kommunizieren Sie die Notwendigkeit der Digitalen Transformation im Unternehmen und überzeugen Sie Ihre Mitarbeiter

 

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