„Wir machen den Einsatz von KI in der Produktion salonfähig“

Judith Hillen

Startup Stories

Um Produktionsprozesse besser analysieren und steuern zu können, setzt das Dresdner Startup Symate auf Künstliche Intelligenz: Das Softwaresystem Detact sammelt Produktions- und Qualitätsdaten aus den verschiedensten Quellen und interpretiert diese nach den Bedürfnissen der Anwender. Im Interview mit 5-HT erklärt David Haferkorn, Direktor für Produktmanagement und Business Development bei Symate, welchen Mehrwert der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Produktion bringt – und wie Unternehmen der Pharma- bzw. Chemiebranche davon profitieren können.

Wie kann eure Software Detact Produktionsprozesse verbessern?

Detact bietet eine bis dato einzigartige Infrastruktur für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in heterogenen Prozessketten. Unsere Software sammelt Technologiedaten und digitalisiert sie, führt die Daten automatisch zusammen, führt anwenderbezogene Analysen sowie Interpretationen durch und visualisiert die Ergebnisse anschließend ingenieursgerecht. Dies funktioniert über Treiber, die eine Vielzahl an heterogenen Datenquellen automatisch ansprechen und deren Informationen synchronisieren – von SPS-Systemen und Peripheriegeräten über MES- und CAQ-Systeme bis hin zu unterschiedlichsten Datenbank- und Dateitypen. Nach der Analyse der Daten mittels KI-Methoden werden die Ergebnisse Ingenieuren und Maschinenführern in verschiedenen Apps nutzerspezifisch visualisiert.

Welche Bereiche können mit eurer Software optimiert werden?

Zum einen ermöglichen wir ein wirksames Troubleshooting, das heißt, wir geben einen transparenten Überblick über die Prozesssituation, erleichtern die Erkennung von Anomalien und realisieren die Ursachenanalyse. Zum anderen können die Anwender mit Detact ihre Prozesse zielgerichtet optimieren. Denn: Das System gibt ihnen klare Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Gesamtanlageneffektivität (OEE). Außerdem ermöglicht Detact die aktive Nutzung des Systems als Assistenzsystem wie beispielsweise für eine adaptive Qualitätskontrolle, für die Qualitätsvorhersage oder als KI-gestützter Anfahrassistent.

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Welche Anwendungsbereiche bieten sich insbesondere in der Pharma- und Chemiebranche an?

Prinzipiell können mit Detact alle Arten von Produktionsprozessen optimiert werden. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt in der Kunststoffverarbeitung – ein Bereich, der für die Medizintechnik, aber auch für die Verfahrenstechnik im Chemiesektor von großer Bedeutung ist und wodurch sich interessante Anwendungsfälle ergeben. So können wir zum Beispiel Korrelationen zwischen dem Material und verschiedenen Verarbeitungsparametern ermitteln und auf dieser Basis Empfehlungen für die Einstellgrößen ableiten. Außerdem beschäftigen wir uns intensiv mit Rezyklaten, also mit der Wiederverwendung bereits hergestellter Materialien. Zudem können wir aus global gesammelten, hochkomplexen Informationen einen Gesamtparameterdatensatz erzeugen, Eigenschaften des fertigen Materials vorhersagen und Empfehlungen für das jeweils optimale Verarbeitungsfenster bereitstellen.

Wie grenzt sich Detact von anderen existierenden Systemen ab?

Wir unterscheiden uns von gewöhnlichen IoT (Internet of Things)-Plattformen, weil wir nicht einfach nur Daten und Standard-Applikationen für Analysen zur Verfügung stellen. Denn: Wir gehen einen Schritt weiter! Wir arbeiten anwenderbezogen – das heißt, wir stellen für spezifische Alltagsaufgaben nach den Bedürfnissen der einzelnen Nutzer die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zur Verfügung, um auf dieser Basis selbstdiagnostizierende, teils selbstregelnde Prozesse anzustoßen. Unser System setzt dabei keine besonderen Bedingungen voraus. Wir orientieren uns vielmehr stark am einzelnen Kunden und seinen individuellen Voraussetzungen. So sind wir in der Lage, sehr heterogene Datenquellen zu integrieren. Hiervon profitieren gerade kleine und mittlere Unternehmen, die den Großteil der deutschen Wirtschaft ausmachen, denn sie verfügen in der Regel nur über begrenzte Ressourcen. Mit unserem datengetriebenen Ansatz sorgen wir dafür, dass sie jederzeit Herr der Lage bleiben und mithilfe KI -gestützter Entscheidungen so effizient wie möglich am Markt agieren können.

Wie kam es zur Gründung von Symate und zur Entwicklung von Detact?

Unser Startup ist aus einem Sonderforschungsprojekt an der TU Dresden heraus entstanden. Hier sollten vor allem neue Materialverbindungen erforscht werden. Um die Wechselwirkungen innerhalb der Prozesse besser abbilden zu können, entstand die Idee für einen datenbasierten Ansatz und somit die erste rudimentäre Vorstufe von Detact. Mit dieser Software konnten wir analysieren, welche Prozessparameter sich wie auf welche Qualitätseigenschaften auswirken. Dies war die Geburtsstunde für die Symate GmbH, die von Dr. Gunnar Dietz, Dr. Martin Juhrisch, Dr. Jens Weller und Dr. Hajo Wiemer 2012 gegründet wurde. Ich selbst kam mit der Symate GmbH 2017 über ein von mir betreutes Projekt in der Kunststoffverarbeitung in Kontakt. Aus dem Bedarf an einer Lösung für Prozessketten übergreifende Datenanalyse entwickelte sich sukzessive unsere Zusammenarbeit. Schlussendlich habe ich mich dem Team angeschlossen und mich als Domainexperte um Produktmanagement und Geschäftsfeldentwicklung gekümmert.

Wie sieht der aktuelle Stand der Entwicklungen aus?

Detact hat sich seit der Ausgründung aus der TU Dresden kontinuierlich weiterentwickelt. 2019 haben wir Detact auf eine neue Stufe gehoben und die Version 2.0 vorgestellt. Diese ist Big-Data-fähig, und unsere Kunden arbeiten mit einer komplett neuen, intuitiven Bedienoberfläche. Außerdem ist das Unternehmen selbst deutlich gewachsen. Mittlerweile haben wir knapp 20 Mitarbeiter in den Bereichen Softwareentwicklung, Mathematik und Ingenieurwesen. Bis heute kommen wir ohne Investoren aus, denn wir finanzieren uns ausschließlich durch unsere Kundenprojekte. Das treibt uns an und stellt sicher, dass wir die Lösungen entwickeln, die unsere Kunden wirklich brauchen. Gemeinsam mit diesen Unternehmen erarbeiten wir in Workshops Pilotprojekte, die wir dann auf Basis einer gemeinsam entwickelten Roadmap umsetzen.

Was sind eure nächsten Pläne?

Durch die kontinuierliche Arbeit mit den individuellen Aufgabenstellungen unserer Kunden verbessern wir unsere Prozesse immer weiter und setzen mittlerweile auch auf internationale Projekte. Vor Kurzem haben wir erste Kontakte in China geknüpft, denn wir möchten in diesem großen Markt Fuß fassen. Dabei liegt das größte Potenzial für uns in der standortunabhängigen Zusammenführung von Informationen aus Fertigungsprozessen von Produktionsstandorten auf der ganzen Welt. Indem wir uns Stück für Stück weiter internationalisieren und Prozessketten weltweit miteinander vernetzen, können wir einen neuen Mehrwert schaffen und systematisch weiterwachsen.

Euren Erfahrungen nach zu urteilen, wie offen sind deutsche Unternehmen für den Einsatz von KI-Software-Systemen wie Detact?

In Deutschland gibt es zahlreiche Unternehmen, die solchen Technologien offen gegenüberstehen. Viele sind durchaus bereit, sich auf Pilotprojekte einzulassen. Aber es gibt auch viele Unternehmen, die Vorbehalte haben. Schließlich sind hiermit grundsätzliche Entscheidungen für die Zukunft verbunden, die sehr gut überlegt sein wollen. Niemand will Fehler machen, aber an der Digitalisierung kommt auf lange Sicht keiner vorbei. Daher müssen wir sehr viel Aufklärungsarbeit leisten: In zahlreichen Dokumenten, Vorträgen und Seminaren stellen wir die Chancen und Herausforderungen der neuen Technologien vor und geben Interessenten die Möglichkeit, Stück für Stück auf Veränderungen zu reagieren und ihre eigenen Geschäftsprozesse zu durchdenken. Im Jahr 2020 leiten wir zum Beispiel einen Spezialtag zum Thema „KI in Fertigungsprozessen“, der im Rahmen der Kunststoffjahrestagung vom VDI organisiert wird. Natürlich ist KI ein Reizthema und viele Anbieter versuchen, darauf aufzuspringen. Daher können sich hinter dem Begriff ‚Künstliche Intelligenz‘ die verschiedensten Angebote verstecken. Kein Wunder, dass es vielen Herstellern schwerfällt, sich zu orientieren und auf einzelne Lösungen einzulassen. Deshalb geht es vor allem darum, die richtigen Technologien für das jeweilige Anliegen zu finden. Je besser man also über die technologischen Möglichkeiten Bescheid weiß, desto niedriger ist letztendlich auch die Einstiegsschwelle für zum Beispiel ein Pilotprojekt. Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe, nicht nur unser Produkt zu platzieren, sondern Unternehmen über die Potenziale von Künstlicher Intelligenz aufzuklären und dadurch den Einsatz von KI in der Produktion weiter salonfähig zu machen.

Wie seid ihr zum Hub gekommen und wie kann euch der Hub in eurer weiteren Entwicklung unterstützen?

Wir sind über die Veranstaltung Hightech Startbahn in Bitterfeld ins Gespräch gekommen. Daraufhin haben wir uns dazu entschlossen euer attraktives Angebot anzunehmen und mittels des Interviews mehr Sichtbarkeit im Bereich Chemie/Gesundheit und im Raum Ludwigshafen zu erhalten. Unterstützen kann uns der Hub beim Aufbau von Kontakten zu anderen interessanten Startups und möglichen Kunden durch Veranstaltung, oder eben der Sichtbarkeit über eure Netzwerk.

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