Wie Industrieverpackungen smart werden können
Judith Hillen
Digitalisierte und automatisierte Prozesse gehören in der Chemiebranche mittlerweile in vielen Bereichen zum Alltag. Doch es gibt einen Aspekt, der bisher vernachlässigt wurde: die Verpackung. Das sagt jedenfalls Felix Weger, einer der drei Gründer des Startups Packwise, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Industrieverpackungen mit moderner Technologie zu verbinden. Dafür hat das Team des Dresdner Startups ein Monitoring-System für IBCs entwickelt – Kunststoff- und Stahlcontainer, die unter anderem von Chemie- und Lebensmittelunternehmen für den Transport und die Lagerung von flüssigen und rieselfähigen Stoffen eingesetzt werden. Im Interview mit 5-HT erzählen Produktentwickler Felix Weger und Key-Account- und Projektmanagerin Sophia Becker, wie Unternehmen mit der Packwise Smart Cap detaillierte Informationen über ihre IBCs sammeln können – was intelligenteres und nachhaltigeres Handeln möglich macht.
Was ist das Problem daran, wie IBCs aktuell in der Industrie genutzt werden?
Felix Weger: IBCs wurden lange Zeit als Einwegverpackungen verwendet: Sie wurden versandt, beim Kunden entleert und dann entsorgt. Über die Jahre hinweg wurden die Container aber immer stabiler, sodass sie eigentlich problemlos wiederverwertet werden können. Pro Jahr werden in Deutschland ca. zehn Millionen IBCs befüllt. Bei der Wiederverwertung eines einzigen IBCs spart man bereits bis zu 96 kg CO2 – da kommt also eine erhebliche Summe zusammen, die reduziert werden könnte. Außerdem ist es für ein Unternehmen natürlich auch mit Kosten verbunden, wenn es immer wieder neue Container kaufen muss.
Was hindert Unternehmen bislang daran, ihre IBCs wiederzuverwerten?
Felix Weger: Die Prozesse sind sehr komplex. Selbst wenn ein Unternehmen sich dazu entscheidet, seine IBCs wiederzuverwerten, ist es zunächst einmal auf die Rückmeldung des Kunden angewiesen. Dadurch häufen sich bis zu hundert leere IBCs an, bevor es sie einsammeln lässt. Als Konsequenz werden IBCs bis zu 80 Prozent ihrer Lebenszeit nicht genutzt. Wir machen es möglich, diesen Prozess besser zu planen: Wenn man genau weiß, wann ein Container leer wird, kann man die Wiederverwertung effizienter organisieren und dadurch weniger Verpackungsmaterial bei der gleichen Menge an Füllgütern verwenden.
Was ist die Idee von Packwise?
Felix Weger: Wir schaffen Transparenz, indem wir IBCs tracken. Dadurch geben wir den Unternehmen mehr Kontrolle über ihre Verpackungen und geben ihnen somit die Möglichkeit, ihre Prozesse besser zu steuern. Aktuell werden die potenziellen Funktionen der Verpackung noch gar nicht genutzt – es geht nur darum, Dinge sicher von A nach B zu transportieren. In der Produktion gibt es hingegen schon überall Sensoren, um ein kontinuierliches Monitoring sicherzustellen. Mit Packwise verlängern wir diese Arbeitsweise bis hin zum Transport und als Schnittstelle zum Kunden.
Wie funktioniert das Monitoring von IBCs mit Packwise?
Sophia Becker: Für das Monitoring haben wir die sensorbasierte Packwise Smart Cap entwickelt, die mit IBCs von verschiedenen Herstellern und verschiedenen Größen kompatibel ist. Die Packwise Smart Cap lässt sich nach dem Prinzip Plug & Play einfach auf den IBC draufsetzen, und sofort ist er vernetzt. Das ist eine einfache, praktikable Lösung, bei der nichts an der Verpackung selbst verändert werden muss.
Welche Daten können mit der Packwise Smart Cap gemessen werden?
Felix Weger: Welche Daten erhoben werden sollen, kann je nach den Bedürfnissen des Unternehmens festgelegt werden. Zum Beispiel können wir den Füllstand, den Standort, die Beschleunigung, die Temperatur oder die Neigung messen. Wir können die Messungen auch bewegungsabhängig durchführen, wenn es den Kunden besonders interessiert, was während des Transports eines Containers geschieht – ob es zum Beispiel unvorhergesehene Bewegungen oder Erschütterungen gibt.
Packwise Smart Cap
Wofür können diese Daten genutzt werden?
Sophia Becker: Zum einen können unsere Kunden mit der Packwise Smart Cap ihre Kreislaufprozesse optimieren, weil sie genauer wissen, wann ein Container leer wird und daraufhin abgeholt und aufbereitet werden muss. Dadurch können logistische Prozesse optimiert werden. Das spart nicht nur CO2, sondern auch Kosten. Zum anderen wird die Verpackung durch das Monitoring zu einer Schnittstelle zum Kunden: Wenn ich als Chemiehersteller regelmäßig ein Produkt an einen Kunden liefere und durch die Füllstandsmessung bei den entsprechenden IBCs sehen kann, ob der Kunde noch genug auf Lager hat oder ob sein Vorrat allmählich zur Neige geht, kann ich frühzeitig erkennen, wann ich wieder Nachschub schicken muss. Auf diese Weise lässt sich das Bestandsmanagement optimieren.
Wie werden diese Daten dem Nutzer zugänglich gemacht?
Sophia Becker: Der Nutzer kann über eine Web-Applikation alle IBCs verwalten, die mit der Packwise Smart Cap ausgestattet sind. In dieser Software werden alle gesammelten Daten visualisiert. Für bestimmte Fälle kann der Nutzer sich auch Notifications zusenden lassen, je nachdem, welche Ereignisse für ihn relevant sind – ob es ihn zum Beispiel besonders interessiert, wann ein IBC beim Kunden angekommen ist oder wann der Füllstand unter ein bestimmtes Niveau sinkt. Über die Software lassen sich auch manche Prozesse automatisieren. Zum Beispiel kann man es so einrichten, dass eine automatische Neubestellung veranlasst wird, wenn ein IBC leer ist.
Wie kam es zur Gründung von Packwise?
Felix Weger: 2017 haben wir Packwise zusammen mit Gesche Weger und René Bernhardt gegründet. Zuvor hatte ich zwei Werke geleitet, die IBCs herstellen, zuerst in England, dann in Dresden. Dadurch habe ich den komplexen Prozess am eigenen Leib erlebt: Wir haben für unsere Kunden die Abholung und Wiederverwertung von IBCs organisiert, und das war sehr aufwendig. Um diese Kreislaufprozesse besser zu organisieren, haben wir mit unserem Startup zunächst einen Marktplatz für IBCs eingerichtet – eine Art Ebay für gebrauchte IBCs. Dadurch haben wir viel über den Markt gelernt, aber mittlerweile hat sich unser Kerngeschäft darauf verlagert, IBCs zu tracken und Kreislaufprozesse dadurch noch effizienter zu machen.
In welcher Entwicklungsphase seid ihr aktuell?
Felix Weger: Zurzeit befinden wir uns in der Pilotphase. Das Tracken von IBCs ist etwas komplett Neues für jeden Anwender – deshalb sprechen wir mit unseren Kunden jeweils individuell ab, welche Daten sie eigentlich sehen wollen. Dabei lernen wir viel darüber, auf welche unterschiedlichen Weisen sich die Daten nutzen lassen. Wir freuen uns auch immer über neue Unternehmen, die unser System ausprobieren möchten. Eine Teilnahme an der Pilotphase bedeutet dabei keine große Investition. Es ist uns wichtig, dass unsere Preise kompetitiv sind, solange die Qualität nicht darunter leidet. Im April 2020 beginnt die Serienfertigung, für die wir mit der Nürnberger Firma Diehl zusammenarbeiten. Dadurch nutzen wir für die Produktion die jahrzehntelange Erfahrung eines etablierten Konzerns, aber bleiben gleichzeitig agil als junges Unternehmen.
Was ist eure Vision für die Zukunft?
Felix Weger: Zunächst einmal wollen wir als Unternehmen wachsen – als Erstes in Europa, speziell in Deutschland, Österreich, der Schweiz und England, aber langfristig global. In drei bis sieben Jahren werden Industrieverpackungen grundsätzlich vernetzt und digital sein. Wir sind die Ersten, die ein Gerät mit der optimalen Sensortechnologie für IBCs auf den Markt bringen, und daher ist es für uns spannend, diejenigen zu sein, die diesen Wert schaffen. Besonders wichtig ist uns auch der Aspekt der Nachhaltigkeit: Nachhaltige Produkte müssen erstens tatsächlich CO2 einsparen, zweitens sollten sie die Qualität nicht beeinträchtigen oder besser noch erhöhen, und drittens müssen sie finanziell Sinn machen. All diese Punkte erfüllen wir mit Packwise. Damit können wir einen großen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Chemiebranche leisten.
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