Was deutsche Unternehmen von China lernen können
Judith Hillen
Ost und West, Deutschland und China zusammenzubringen – das ist die Vision des Berliner Startups DONGXii. Die drei Gründer und Geschäftsführer Miriam Theobald, Marcel Münch und David Ruisinger wollen deutschen Unternehmen helfen, erfolgreich in den chinesischen Markt einzusteigen. Wie sie das machen, erzählt Marcel Münch im Interview mit 5-HT.
DONGXii Gründer Marcel Münch, Miriam Theobald, David Ruisinger (v.l.n.r.)
Was hat euer Name „DONGXii“ zu bedeuten?
„Dong“ heißt auf Chinesisch Osten, „Xi“ heißt Westen, beide Silben zusammengesetzt dann aber auch einfach „Dinge“ – das heißt, wir wollen Osten und Westen miteinander verbinden, und zwar über die Dinge, die wir verkaufen. Passenderweise bedeutet „mai dongxi“ auf Chinesisch auch „Shopping“.
Wie kam euer Bezug zu China zustande?
Miriam und ich haben beide einen Kombinationsstudiengang mit BWL und Chinesisch studiert und haben deshalb die Sprache gelernt. Während des Studiums waren wir schon in China, und auch danach haben wir jahrelang dort gelebt und gearbeitet – Miriam in Peking, ich in Shanghai. Irgendwann sind wir zurück nach Deutschland gezogen und haben früh begonnen, Produkte nach China zu exportieren. Das fing an mit Wein aus der Pfalz, und mit der Zeit haben uns immer mehr chinesische Freunde gefragt: „Hey, könnt ihr uns nicht was rüberschicken?“ So kamen wir auf die Idee, diese Leistungen nicht nur für unsere Freunde anzubieten, sondern ein Geschäft daraus zu machen. Wir haben einen Businessplan erstellt und uns damit beim Bundeswirtschaftsministerium für das EXIST-Gründerstipendium beworben. Nachdem wir den Zuschlag bekommen hatten, haben wir Anfang 2016 gestartet.
Wie funktioniert die App DONGXii, die ihr entwickelt habt?
DONGXii ist eine Cross-Border E-Commerce-App, über die chinesische Kunden direkt Produkte von europäischen Anbietern bestellen können. Das ist für die Kunden interessant, weil es manche Produkte wie zum Beispiel vegane Kosmetik in China sonst nicht zu kaufen gibt. Für die Hersteller ist es praktisch, weil sie ihre Waren auf den chinesischen Markt bringen können und sehr wenig Aufwand dabei haben – wir übernehmen zum Beispiel die Zollabwicklung und die Logistik. Für jeden verkauften Artikel bekommen wir von den Herstellern eine Kommission.
Wie hat sich euer Startup seit seiner Gründung weiterentwickelt?
Es hat über ein Jahr gedauert, bis die App fertig war – das war sehr viel Aufwand. Am Anfang sah die App auch noch ganz anders aus als heute, aber wir hatten Testnutzer, die uns Hinweise gegeben haben, wie wir uns noch verbessern können. Seit Mitte 2017 ist DONGXii in den App Stores erhältlich. Sobald wir unseren ersten Investor gefunden hatten, haben wir auch viel in Marketing investiert. Mittlerweile haben wir weitere Mitarbeiter angestellt und die App ist um das Zwanzigfache gewachsen.
Außerdem kam Ende 2018 der Bereich Beratung hinzu: Wir beraten Unternehmen aus allen Branchen bezüglich des Markteinstiegs in China. Dabei geben wir Hinweise, was man in rechtlicher oder logistischer Hinsicht oder auch beim Umgang mit den Kunden beachten muss. Wir erstellen Strategien für den Markteintritt oder für erfolgreiche Marketingkampagnen in China. Aktuell sind wir auch viel in Deutschland unterwegs und geben Keynotes zu diesen Themen. Mit diesen Aufgaben verbringen wir mittlerweile den Großteil unserer Zeit, denn die App ist ja vollkommen automatisiert und benötigt nur noch wenige Ressourcen.
Marcel Münch und Miriam Theobald im chinesischen Fernsehen
Wie offen sind deutsche Unternehmen eurer Erfahrung nach dafür, in den chinesischen Markt einzusteigen?
Es gibt schon eine gewisse Neugierde, aber nur wenige Unternehmen gehen wirklich selbstbewusst an dieses Thema heran. Viele halten sich noch zurück – das ist vielleicht die deutsche Gründlichkeit, die deutsche Angst. Wir beobachten, dass sich ausländische Unternehmen viel schneller trauen, den ersten Schritt zu machen.
Welche Herausforderungen stellen sich für deutsche Unternehmen, die in China Geschäfte machen wollen?
In China spielt sich alles digital ab. Auch etablierte Unternehmen sind in diesem Bereich häufig noch nicht besonders weit. Außerdem gibt es in China zum Beispiel andere Social-Media-Kanäle, kein Facebook, kein Twitter, kein Instagram. Man muss wissen, was die Pendants sind und wie man sie nutzt. Vor allem ist auch der Umgang mit den Kunden wichtig: Chinesische Kunden wollen das Gefühl haben, dem Anbieter vertrauen zu können. Sie erwarten zum Beispiel eine Chatfunktion, damit sie sich direkt über Produkte informieren können. Häufig fragen sie auch, ob sie einen Rabatt bekommen können, und nach dem Kauf wollen sie immer genau nachvollziehen können, wo ihre Bestellung gerade ist.
Was ist eure Vision für die Zukunft?
Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass deutsche Unternehmen sich mehr mit China beschäftigen. Dort gibt es extrem viele Innovationen, viele Startups, viele neue Entwicklungen in wichtigen Bereichen wie KI, Biotechnologie oder Blockchain. Darin sind die Chinesen ganz weit vorne. Die deutsche Wirtschaft darf deshalb nicht den Anschluss verlieren. Chinesische Unternehmen kommen auch zunehmend nach Europa, zum Beispiel hat der Online-Händler Alibaba bereits angefangen, um deutsche Unternehmen zu werben. Wer da nicht aufpasst, kann in Zukunft abgehängt werden. Deutsche Unternehmen sollten sich also fragen, wie sie es schaffen, in den chinesischen Markt einzusteigen. Wenn sie darin kein Potenzial sehen, sollten sie sich zumindest damit beschäftigen, welche Trends es in China gibt und welche neuen Technologien dort gerade entwickelt werden. Denn wenn man das nicht mitbekommt, erschlägt es einen in fünf Jahren. Dafür wollen wir ein Bewusstsein schaffen.
Gerade in der Digitalisierung gilt China als Vorreiter. Welche Rolle können Digital Hubs deiner Meinung nach dabei spielen, deutsche Unternehmen in diesem Bereich besser aufzustellen?
Digital Hubs können auf jeden Fall Anlaufstellen für Unternehmen sein, die dieses Thema angehen wollen. Dabei wäre es wichtig, auch über den Tellerrand hinauszuschauen. Aktuell konzentrieren wir in Deutschland uns stark auf die USA, auf das Silicon Valley, aber wir haben einen blinden Fleck dafür, was im Osten passiert. Digital Hubs können hier Themen setzen, Sensibilität schaffen und auch beratende Funktion übernehmen.
Welche Tipps hast du für andere Gründer, die sich eventuell auch für den chinesischen Markt interessieren?
Bevor man sich als Startup Richtung China orientiert, muss man sich das gut überlegen – aber es ist auch ein toller Markt, auf dem man viel lernen kann. Es kann sogar sinnvoll sein, direkt in China zu gründen, weil die Ressourcen dort günstiger sind. Generell ist es für Gründer immer gut, Feedback von außen einzuholen, zum Beispiel über Mentoring-Programme. Außerdem lohnt es sich, als ersten Investor einen Business Angel und keinen Venture Capitalist zu suchen, weil dann noch kein perfekt ausgefeilter Businessplan erwartet wird. Am allerwichtigsten ist aber, mit wem man das Startup zusammen macht – Team, Team, Team!
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