Störungen in der Produktion vermeiden mit Künstlicher Intelligenz

Judith Hillen

Startup Stories

Wenn eine Produktionsanlage stillsteht oder aufgrund eines Fehlers massenhaft Ausschussware herstellt, schießen die Kosten schnell in die Höhe. Probleme wie diese löst das Hamburger Startup PANDA mithilfe von Künstlicher Intelligenz: Mit der Hard- und Softwarelösung PANDA I DRIFT lassen sich die Ursachen von Störungen identifizieren, sodass diese frühzeitig verhindert werden können. „Weil wir auf statistische Methoden statt auf physikalische Modelle setzen, schaffen wir es, kostengünstiger als andere Industrial-Analytics-Lösungen zu sein und so in einen Bereich zu kommen, in dem es möglich wird, die gesamte Produktion zu überwachen“, sagt Ingo Kaiser, Geschäftsführer und Mitgründer. Im Interview mit 5-HT erklärt er, wie PANDA I DRIFT auch in Pharma- und Chemieprozessen Produktionsprozesse optimieren und die digitale Transformation vorantreiben kann.

Panda Team

Woher kam die Idee für PANDA?

Wenn man in der Industrie unterwegs ist, springen einen die Probleme in der Produktion nur so an: Sobald es einen Stillstand gibt, bricht Panik aus, denn je nach Industrie kostet eine Maschinenstunde bis zu 250.000 Euro, sodass es hohe Kosten verursacht, wenn das Band auch nur für kurze Zeit stillsteht. Probleme wie diese sind mir und meinen Mitgründern Michael Welsch und Sabayn Mirakai während unserer Promotion am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Rechnergestützte Produktentwicklung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg aufgefallen. Gleichzeitig sahen wir großes Potenzial darin, mithilfe von Künstlicher Intelligenz Lösungen dafür zu finden. Unsere Forschung in dem Bereich nahm bald so konkrete Formen an, dass wir vor zwei Jahren aus der Universität heraus unser Startup PANDA gründeten.

Neben Maschinenstillständen, an welchen weiteren Problemen in der Produktion setzt PANDA an?

Mein Mitgründer Michael erzählt gern folgende Anekdote: Stell dir vor, du arbeitest in einer Fabrik an einer Anlage, aber plötzlich gibt es eine Störung, sodass die Produktion nicht weiterläuft. Am Abend kommst du nach Hause, und deine Freundin ist schlecht gelaunt. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Situationen? Bei deiner Freundin kannst du nachfragen, was los ist, und du kannst etwas tun, damit es ihr besser geht. Bei einer Anlage ist das deutlich schwieriger – hier kann man nicht einfach in Erfahrung bringen, was das Problem ist, und weiß deshalb oft nicht, was zu tun wäre, um es zu beheben. Produktionsanlagen sind komplexe Systeme. Veränderungen im Input, Veränderungen im Umfeld oder der Verschleiß einzelner Teile können dazu führen, dass Prozesse instabil werden. Noch schlimmer als der Stillstand ist die massenhafte Produktion von Ausschussware, weil dadurch sehr hohe Kosten entstehen können. Wenn man aber versteht, worin die Ursachen für die Störungen liegen, kann man sie frühzeitig verhindern und so nicht nur die Anlagenverfügbarkeit erhöhen, sondern auch den Ausschuss reduzieren.

Wie kann PANDA dazu beitragen, Produktionsprozesse zu verbessern?

Unsere Soft- und Hardwarelösung PANDA I DRIFT kombiniert ein Software-Framework mit der Erfassung von Maschinendaten, Sensordaten und visuellen Informationen durch Kameras. Mit unserem System können wir Produktionsprozesse transparent machen und Ursachen für Störungen identifizieren. In der Regel ist es ein Zusammenspiel vieler verschiedener Parameter in einer bestimmten Konstellation, das zu einem Fehler führt. Diese Komplexität und diese breite Datengrundlage kann ein menschlicher Mitarbeiter nicht mehr überblicken. Sobald unser System identifiziert hat, welches die variablen Einflussparameter sind, können diese im Rahmen eines Condition Monitoring gezielt überwacht werden. Der letzte Bereich ist schließlich Predictive Maintenance: Aufgrund von statistischen Methoden können wir erkennen, ob ein Teil in den nächsten Tagen voraussichtlich kaputtgeht, sodass vorbereitende Maßnahmen getroffen werden können. PANDA I DRIFT ermöglicht es unseren Kunden somit nicht nur, die Performance in der Produktion zu optimieren, sondern auch, die Produktion abzusichern.

Panda-DRIFT-Software+Device

Wodurch unterscheidet ihr euch von anderen Industrial-Analytics-Lösungen?

Hauptsächlich heben wir uns durch unsere Root Cause Analysis von der Masse ab. Die meisten Systeme, die aktuell auf dem Markt sind, basieren auf neuronalen Netzen. Sie können nur Fehler analysieren, aber nicht deren Ursachen erkennen. Deshalb haben wir unser eigenes Software-Framework aufgebaut, das eben dazu in der Lage ist. Dabei arbeiten wir nicht mit physikalischen Modellierungen, sondern mit statistischen Berechnungen. Die Ergebnisse sind dadurch zwar etwas unschärfer, aber dafür lassen sich die Modelle besser auf verschiedene Anlagen und Branchen verallgemeinern, weil kaum spezifisches Domänenwissen notwendig ist. Dadurch schaffen wir es, einen Preisbereich zu erreichen, in dem es sich für unsere Kunden lohnt, ihre vollständige Produktion zu überwachen. Bei anderen Industrial-Analytics-Lösungen ist häufig außerdem die Datengrundlage eingeschränkt – viele Systeme arbeiten nur mit Maschinendaten. Wir erweitern das durch Daten von Sensoren, die beliebig an Hardware appliziert werden können, und setzen zusätzlich Kamerasysteme ein. Weil wir die Sensoren selbst produzieren, senken wir auch hierbei die Kosten, sodass der Einsatz von Sensorik für die Gesamtfabrik interessant wird.

Was sind eure nächsten Ziele für die Weiterentwicklung von PANDA?

Letztes Jahr sind wir zum ersten Mal in einer Seed-Runde finanziert worden. Dieses Jahr arbeiten wir daran, mit unseren ersten Kunden die Validierung in der Produktion abzuschließen. Im Herbst planen wir den Markteintritt. Aktuell sind wir vor allem in der Automobil-, Lebensmittel- und Kunststoffindustrie aktiv, aber wir freuen uns über Entwicklungspartner aus neuen Branchen wie der Pharma- und Chemieindustrie. Weil unser System nicht spezifisch für einzelne Branchen modelliert werden muss, sind wir dazu in der Lage, auch in Pharma- und Chemieunternehmen Produktionsprozesse zu optimieren.

Was erhofft ihr euch in diesem Zusammenhang davon, Teil unseres Digital Hub zu sein?

Wir haben zwar noch keine konkreten Projekte mit Pharma- oder Chemieunternehmen umgesetzt, haben aber bereits erste Kundenanfragen erhalten. Beide Branchen sind sehr relevant für uns, weil es für die Unternehmen dieser Industrien eine große Rolle spielt, die hohe Qualität ihrer Produkte sicherzustellen. Als Teil von 5-HT erhoffen wir uns deshalb einen Einstieg in die Branche. Dabei würden wir gerne auch mehr Domänenwissen erlangen, um zu wissen, welche Spezifika in Bezug auf die Produktion zu berücksichtigen sind. Umgekehrt sind wir sicher, dass wir mit unserer Lösung einen großen Mehrwert für Pharma- und Chemieunternehmen liefern können.

Wie sieht eure Vision für die Zukunft von PANDA aus?

Wir verfolgen die Vision einer autonomen Fabrik. Unser System soll den Mitarbeitern dabei helfen, die Produktion besser steuern zu können. Stumpfsinnige Tätigkeiten, die genauso gut von einem Computer erledigt werden können, sollen nicht mehr von Menschen übernommen werden müssen.  Aktuell sind wir bereits mit Anlagenplanern im Gespräch, um neue Fabriken so auszustatten, dass langfristig eine vollständige Rückkopplung möglich ist.

Wie gut seht ihr deutsche Unternehmen bislang für die digitale Transformation gerüstet?

Im Kontakt mit Klienten erleben wir, dass insbesondere Ingenieure noch nicht viel mit dem Thema KI anfangen können. Industrie 4.0 ist ein großes Versprechen, aber viele Unternehmen wissen nicht, wo sie in diesem Bereich sinnvollerweise ansetzen können. Hier können wir Antworten geben, indem wir den Unternehmen zeigen, dass wir mit KI-Verfahren konkrete vorhandene Probleme in der Produktion lösen können. Dadurch schaffen wir größere Akzeptanz für die digitale Transformation.

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