Risikomanagement: Von der Supply Chain zur Value Chain

Katharina Kittelberger

Startup Stories

Ob es um Stürme, Überschwemmungen oder Verkehrsstörungen geht: Geodaten können Unternehmen dabei helfen, die Risiken für ihre Lieferketten besser einzuschätzen und darauf zu reagieren. Hier setzt das Startup Orbica an, das Teil des Netzwerks von 5-HT ist und auf der Basis von Geodaten ein Supply-Chain-Risk-Management-System entwickelt. Im Interview mit 5-HT erklärt Matthias Frye, Marketing- und Vertriebsleiter für den europäischen Markt, wie sich diese Lösung von bereits existierenden unterscheidet und wie Unternehmen damit nicht nur Risiken für ihre Lieferkette, sondern für ihre ganze Wertschöpfungskette verringern können.

Matthias Frye von OrbicaMatthias Frye von Orbica

Was ist die Idee von Orbica?

Orbica wurde 2017 aus dem Gedanken heraus gegründet, dass es zwar bereits viele Startups gibt, die sich mit Big Data beschäftigen, aber dass dabei ein Thema übersehen wird: die Lokation. Also haben wir uns überlegt, wie wir aus diesem Ansatz heraus eine praktische Lösung für die Industrie entwickeln können. Dabei haben wir erkannt, dass wir Unternehmen mithilfe von Geodaten dazu in die Lage versetzen können, besser auf Pandemien, Stürme oder andere Ereignisse zu reagieren, die ihre Lieferketten gefährden könnten. Dadurch wollen wir unseren Kunden dabei helfen, ihr Supply Chain Risk Management zu verbessern.

Wie kann die Analyse von Geodaten zu einem besseren Supply Chain Risk Management beitragen?

Mithilfe von Geodaten können wir eine Vielzahl von Risiken erfassen – zum einen Naturereignisse wie Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen und Wetterbedingungen, zum anderen aber auch Verkehrsstörungen, Verzögerungen bei den Zollkontrollen oder Ähnliches. Für den Zugriff auf diese Daten arbeiten wir mit verschiedenen Partnern zusammen. HERE liefert uns zum Beispiel Daten über den weltweiten Straßenverkehr, und Spire stellt uns aufgrund von Satellitenbeobachtungen Daten zum See- und Luftverkehr und Wetterdaten zur Verfügung. Für Naturkatastrophen greifen wir auf verschiedene Informationsquellen zurück, beispielsweise auf die Satellitendaten der NASA. Zurzeit bauen wir außerdem eine Partnerschaft mit DHL Resilience360 auf, einer Supply Chain Risk Management Software, mit der die DHL externe Ursachen von Störungen ihres eigenen Betriebs für andere Unternehmen zugänglich macht. Mit dieser Vielzahl an Quellen sind wir sehr gut aufgestellt, was die Erfassung von Transportrisiken angeht.

Wie funktioniert Supply Chain Risk Management mit Orbica – und was unterscheidet euch von den bereits existierenden Lösungen am Markt?

Wir bieten eine Cockpit-Anwendung an, in der die gesamten Warenströme des Unternehmens auf einer Karte visualisiert sind. Sobald es eine Störung gibt, die eine Lieferung beeinträchtigen könnte, erscheint eine Warnmeldung, die man anklicken kann, um weitere Details zu erhalten. Mit diesem Ansatz sind wir nicht die Einzigen, aber wir gehen einen großen Schritt weiter als andere Supply-Chain-Risk-Management-Systeme. Die meisten dieser Systeme beurteilen nur, bei welchen Lieferanten ein Risiko auf der Transportroute besteht. Daraufhin müssen die Unternehmen selbst mühsam recherchieren, was es für sie bedeutet, wenn Lieferant XY mit seinem Werk in den USA Probleme hat. Mit Orbica fällt dieser Aufwand weg, weil wir neben externen Risiken bereits Daten aus der Produktionsplanung und dem Bestand mit einbeziehen. Dadurch kann das Unternehmen sofort erkennen, ob ein Transportrisiko hochrelevant ist, weil es womöglich zu einem Produktionsstopp führt, oder ob es zu vernachlässigen ist, weil eine Woche später bereits eine zweite Lieferung von einem anderen Lieferanten eintrifft. Somit bewegen wir uns von der Supply Chain hin zur Value Chain, indem wir direkt in unserer Lösung das Risiko für die Wertschöpfung des Unternehmens visualisieren.

Wie können Unternehmen von diesen Informationen über ihre Risiken profitieren?

Zum einen können unsere Kunden dadurch bestehende Risiken abfedern. Zum anderen können sie aber auch präventiv dafür sorgen, dass ihre Supply Chain weniger anfällig für Störungen wird. Um dabei das richtige Optimum zwischen einer schlanken und einer resilienten Lieferkette zu finden, bieten wir simulationsbasierte Szenarioanalysen an: In unserer Lösung können sich unsere Kunden modellieren lassen, was passieren würde, wenn sie verschiedene Aspekte ihrer Supply Chain verändern würden, zum Beispiel wenn sie einen zusätzlichen Lieferanten beauftragen oder ein Zwischenlager aufbauen würden.

Für welche Unternehmen ist die Supply-Chain-Risk-Management-Lösung von Orbica relevant?

Unsere Lösung ist für alle Unternehmen relevant, die viele physische Güter über ein großes Netzwerk von Lieferketten transportieren lassen. Das betrifft die Handelsbranche, aber auch die produzierende Industrie, die darauf angewiesen ist, dass ihre Produktionsstraßen nicht zum Stillstand kommen. Somit sind selbstverständlich auch die Chemie- und Pharmaindustrie mit eingeschlossen. Gerade in der Chemiebranche sind die Lieferketten besonders sensibel, weil Transportstörungen zum Beispiel bei Gefahrgütern erhebliche Schwierigkeiten nach sich ziehen können.

Wie weit seid ihr aktuell mit der Entwicklung eurer Lösung?

Nachdem wir für einen internationalen Mischkonzern im Bereich Technik, Gesundheitswesen und Energie ein Supply Chain Risk Optimization Assessment durchgeführt haben, woraus die konkrete Idee für unsere Lösung entstanden ist, haben wir mittlerweile einen Proof of Value entwickelt, der zeigt, dass unser Ansatz funktioniert. In den letzten zwölf Monaten ist Orbica stark gewachsen. Mittlerweile sind wir 25 Leute, von denen die meisten an unserem Gründungsort in Neuseeland, aber auch einige an unserem neuen Standort in Berlin tätig sind. Die Entwicklung unserer Lösung finanzieren wir mit anderen Aufträgen, bei denen wir unsere Expertise im Umgang mit Geodaten nutzen. Beispielsweise haben wir für BASF eine interaktive Karte für die Visualisierung von Nachhaltigkeitsprojekten entwickelt. Für unsere Supply-Chain-Risk-Management-Lösung arbeiten wir aktuell außerdem mit vielen verschiedenen Partnern zusammen, zum Beispiel mit führenden Softwareanbietern für Datenintegration (Alteryx und Safe Software) und Datenvisualisierung (Qlik) und mit Technologieanbietern für Geodaten (ESRI und mapbox). Wir setzen also sehr stark auf ein Ökosystem, das uns bei der technischen Umsetzung und auch beim Zugang zu Kunden unterstützt.

Was sind die nächsten Ziele für Orbica – und wie kann 5-HT euch dabei unterstützen?

In erster Linie sind wir zurzeit auf der Suche nach ein oder zwei Schlüsselkunden, die gerne als Early Adopter die Entwicklung unseres Produkts begleiten wollen, sodass unsere Lösung tatsächlich aus der Praxis heraus und für die Praxis entwickelt wird. Damit bieten wir interessierten Unternehmen die Möglichkeit, unsere Lösung mit zu beeinflussen und am Ende ein Produkt zu erhalten, das 100-prozentig auf ihre Anforderungen zugeschnitten ist. Wir freuen uns auch, wenn wir über 5-HT in Kontakt zu potenziellen Investoren oder zu Technologiepartnern zum Beispiel im Bereich Tracking kommen. Außerdem ist es für uns immer spannend, uns mit anderen Startups in den Bereichen Logistik und Supply Chain auszutauschen.

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