Raus aus der Isolation – rein ins Leben: Virtual Reality für Senioren

Laura Diez

Startup Stories

Wenn im Alter die Mobilität und Flexibilität immer eingeschränkter wird, verkleinert sich der Aktionsradius und die täglichen Eindrücke werden weniger. Granny Vision will mit Virtual Reality (VR) frischen Wind in alte Köpfe bringen. Das Gründungsteam Carolina und Daniel Bendlin haben erkannt, dass SeniorInnen mit Hilfe von Extended Reality mehr am Leben generell und am Alltag ihrer Familien teilnehmen können. Auch wenn sie im Altersheim leben. „Wir lassen Senioren wieder reisen, wecken Erinnerungen an Erlebtes und lassen sie näher an ihren Familien sein. Das bringt nicht nur frischen Wind in den Alltag, sondern hält den Kopf fit und verbessert das Selbstwertgefühl. Die wenigen Konzepte, die in eine ähnliche Richtung gehen, kommen meistens aus dem klinischen Bereich. Wir wollen aber für die Gesamtheit der Senioren spannende Inhalte liefern. Vor allem mit den privaten Inhalten, die es in dieser Form noch gar nicht gibt,“ so Gründer Daniel Bendlin im Interview mit 5-HT.

„Es ist nie zu spät für schöne Erlebnisse“ 

Technologien rund um Virtuelle Realität werden immer mehr eingesetzt. Virtual Reality soll älteren Personen mittels VR-Brillen Erlebnisse ermöglichen, die sie auf Grund ihrer physischen oder psychischen Lage nicht mehr real erleben können. Beispielsweise ein Spaziergang im Wald oder am Strand, den Besuch einer Oper oder eine Busfahrt durch Rom.

„Außerdem arbeiten wir im Moment daran, dass Angehörige eigene Inhalte im 360Grad-Format erstellen können und diese auf die Brille der älteren Person spielen können,“ erklärt Bendlin. Mittels einer 360-Grad Kamera können beispielsweise Angehörige selbst Fotos oder Videos aufnehmen, die im Anschluss auf die Brillen gespielt werden. „Es gibt 360-Grad Fotos und Videos, wir nutzen fast keine Videos mehr, denn so ein 360-Grad Bild ist schon fast ein halbes Video,“ so Bendlin.

Auch Audiospuren und klassische digitale Fotos können mit eingebaut werden. So kann der Senior die Familienfeier oder den Urlaub von Zuhause aus miterleben und immer wieder in Erinnerungen schwelgen. Mit VR-Brillen lassen wir Senioren reisen, spielen, lernen und entspannen. Auch haben Angehörige die Möglichkeit, die Großeltern hautnah und in 360° am Urlaub, Familienfesten oder alltäglichen Situationen via VR teilnehmen zu lassen. Die Möglichkeiten sind riesig!“

Granny Vision Gründungsteam Daniel und Carolina Bendlin

Die VR-Brillen im Einsatz – ein Panoramabild mal zehn 

Die VR-Brillen von Granny Vision funktionieren autark und sind leicht, komfortabel und einfach in der Handhabung. Momentan sind das die Modelle Oculus Go und Pico G2 4K.

Zu Beginn sollte der Senior nur unter Aufsicht die VR-Brille nutzen, da es gerade am Anfang eine sehr intensive, neue Erfahrung ist. Denn, sobald die Brille aufgesetzt ist, ist der Senior visuell von außen komplett abgeschottet. „Der große Vorteil im Vergleich zu einem Bildschirm oder einem normalen Foto ist der, du siehst nicht nur das, was der Fotograf oder der Kameramann will, dass du siehst, sondern du hast wirklich rundum ein 360-Grad Erlebnis – wie ein Panoramabild mal zehn,“ erläutert Bendlin.

Das heißt, der Senior kann mit der Brille nach oben schauen, um den Himmel zu sehen. Sich umdrehen, um zu sehen was hinter ihm liegt sowie sich nach links und rechts umschauen. Nehmen wir als Beispiel die Wohnung: das 360-Grad Foto wird in der Mitte des Raumes aufgenommen. Wenn ich mir das Bild durch die VR-Brille anschaue, kann ich mich zwar nicht in dieser Wohnung bewegen, aber ich kann mich umdrehen, nach oben und unten schauen und somit ein vollkommendes Bild der Wohnung erlangen.

Das Ganze unterscheidet sich ein bisschen vom virtuellen Raum. Wir haben auch ein virtuelles Wohnzimmer gebaut. Im virtuellen Raum teleportiert man sich von einem Punkt zum anderen und hat somit einen anderen Winkel

Das virtuelle Wohnzimmer von Granny Vision 

Das Ziel ist immer abhängig von der Persönlichkeit und auch dem Stadium der physischen und psychischen Fitness der Senioren. Es gibt Senioren, die sagen ich möchte genau diese Selbstständigkeit zurückerlangen und entscheiden selbstständig, wie und wann sie die Brille nutzen. Das ganze Prozedere ist relativ einfach. Natürlich gibt es aber auch Senioren, die das entweder nicht mehr eigenständig können oder wollen, dann sollte ein Pfleger oder Angehöriger den Senior an die Hand nehmen und bei der Bedienung der VR-Brille unterstützen.

Wir achten darauf, grundsätzlich nur Inhalte zu verwenden, die keine Motion Sickness, also Bewegungs- oder Reisekrankheit, erzeugen. Allerdings ist jeder Mensch einzigartig und individuell. Was dem Einen gut tut, muss nicht zwingend auch dem Anderen gefallen. Daher ist es wichtig, dass der Nutzer, wann immer er sich unwohl fühlt oder gar Schwindel eintritt, die Brille absetzt und die Anwendung verlässt.

Sowohl in Pflegeeinrichtungen als auch im privaten Bereich on- und offline einsatzbereit 

Grundsätzlich ist die Nutzung des Granny Vision Systems sowohl in Pflegeeinrichtungen als auch im privaten Bereich einsetzbar. Im Pflegebereich trifft eine VR-Brille in der Regel auf mehrere Nutzer, möchte der Senior allerdings auch personalisierte Inhalte sehen können, wie z.B. Familienfotos, Audios oder andere privaten Inhalte, die die Angehörigen für den Senior erstellt haben, empfiehlt es sich eine Brille pro Senior zu haben.

Dadurch, dass sich durch die meisten Anwendungen auch mittels Controller fortbewegt oder sich umgesehen werden kann, ist gerade auch für bettlägerige Nutzer das Granny Vision System eine schöne Abwechslung.

Die VR-Brillen werden von Granny Vision so vorbereitet, dass der Nutzer auch bei Offline-Nutzung ein umfangreiches 360-Grad-Erlebnis hat. Durch die Verbindung zum W-Lan erhält der Nutzer Zugang zu noch mehr Inhalten. Auch für eventuelle Updates oder die Einbindung von personalisierten Inhalten ist eine Verbindung zum W-Lan (zumindest von Zeit zu Zeit) allerdings notwendig. Eine Kabelverbindung zu einem PC ist zu keiner Zeit nötig.

Senior nutzt eigenständig die VR Brille

Eine große Herausforderung: Innovative Konzepte in der Pflege

„Die Corona-bedingten Besuchsverbote in den Pflegeeinrichtungen und die Absage der beiden Leitmessen waren vertrieblich durchaus herausfordernd,“ berichtet Bendlin.

„Wir haben mit Granny Vision ein Produkt, das musst du erlebt haben. Dieses Gefühl von Selbstbestimmung, das die Senioren mithilfe der VR-Brillen vermittelt bekommen, ist natürlich ganz schwer zu beschreiben. Aber die Einweisung der VR-Brillen über einen Videocall hat überraschend gut funktioniert,“ lacht Bendlin.

„Eine allgemeine Herausforderung ist, dass nur ein kleiner Teil der Pflegeeinrichtungen den Willen bzw. die Möglichkeiten haben, in ihren Einrichtungen neue Konzepte einzuführen. Nur selten liegt das am Budget, sondern meistens am Mindset neuen und innovativen Konzepten gegenüber.

Die vergangenen Wochen und Monate haben die Sensibilität für Technologie in Pflegeeinrichtungen definitiv erhöht, denn digitale Hilfsmittel können den Pflegealltag und die Lebensqualität von Senioren enorm verbessern.

Wir glauben, dass ältere Menschen durch die Nutzung von digitalen Instrumenten mehr Selbstbestimmung, Zufriedenheit und Freude erlangen können. Dafür nehmen wir sie an die Hand und zeigen: Niemand ist zu alt für etwas Neues!“

Ein Schritt in die Zukunft mit 5-HT Digital Hub 

„Unser Antrieb bei Granny Vision war und ist es, älteren Menschen positive Emotionen zu vermitteln. Dies machen wir hauptsächlich in der Virtual Reality. Der Waldspaziergang, das Orchester, der Städtetrip oder Eindrücke von Familienfeiern können wieder hautnah miterlebt werden. Neben Virtual Reality bieten wir zudem individuelle Digitalkurse für Senioren an.

Ein großer Bedarf, besteht bei uns in der Zusammenarbeit mit Ärzten für den Einsatz von VR-Brillen als Therapieeinsatz. Wir bekommen sehr positives Feedback von den Pflegeeinrichtungen und möchten den Therapieeinsatz von VR-Brillen in Zukunft mit einem wissenschaftlichen Partner fundiert betrachten. Für uns ist es wichtig, die relevanten Akteure aus dem Netzwerk von 5-HT kennenzulernen. Wir freuen uns, in Kontakt mit wichtigen Playern der Gesundheits- und Pharmaindustrie zu kommen, um den Weg für neue Technologien, wie dem Einsatz von Virtual Reality in der Pflege, zu ebnen. 5-HT bietet uns ein außergewöhnliches Netzwerk und wir freuen uns einen aktiven Teil darin einzunehmen.“

5-HT Chemistry & Health Newsletter

Wollen Sie die neuesten Tech- und Branchennews, Veranstaltungen, relevante Infos aus dem Ökosystem und mehr?

Jetzt 5-HT Newsletter abonnieren Jetzt 5-HT Newsletter abonnieren

Werden Sie Teil des 5-HT Chemistry & Health

Tauschen Sie sich in unserem Ökosystem mit innovativen Startups und zukunftsorientierten Unternehmen aus. Wir freuen uns auf Sie!