„In fünf Minuten kann jeder selbst eine Lösung für sein Problem bauen“

Judith Hillen

Startup Stories

Lange Abstimmungsschleifen über E-Mail und Telefon und der ständige Blick in verschiedene Excel-Tabellen kosten zu viel Zeit und machen die Zusammenarbeit in Unternehmen ineffizient. Davon ist Andreas Geiger überzeugt, der mit seinem Startup Atrigam eine Plattform entwickelt hat, um die Kollaboration in Unternehmen produktiver zu gestalten. Seit Kurzem ist das in Düsseldorf ansässige Startup Teil des Netzwerks von 5-HT. „Das Besondere ist, dass wir die Mitarbeiter in Unternehmen dazu befähigen, schnell und unkompliziert Lösungen für ihre konkreten Probleme zu schaffen“, sagt Andreas Geiger, CEO und Gründer von Atrigam. Wie das funktioniert und für welche Anwendungen sich die Produktivitätsplattform einsetzen lässt, erklärt er im Interview mit 5-HT.

Andreas Geiger, CEO und Gründer von Atrigam

Welche Aspekte tragen dazu bei, dass die Zusammenarbeit in Unternehmen unproduktiv wird?

Bevor ich Atrigam gegründet habe, war ich in verschiedenen Management-Positionen im Business und in der IT-Branche tätig und habe dabei festgestellt, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen eines Unternehmens, aber auch zwischen verschiedenen Organisationen häufig höchst ineffizient ist. Die Mitarbeiter verschwenden viel Zeit damit, Informationen aus E-Mails zusammenzusuchen, in Excel-Tabellen einzutragen und sich per Telefon abzustimmen, was der letzte Stand bei einem Projekt oder einer konkreten Aufgabe ist. Ein weiteres Problem besteht darin, dass sie häufig mit Informationen überflutet werden, obwohl sie sich eigentlich nur für einige wenige Punkte interessieren, aus denen sie konkrete Handlungen ableiten können. Durch diese Erfahrungen kam ich auf die Idee, dass sich die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch durch eine Produktivitätsplattform wesentlich effektiver gestalten lassen würden.

Welchen Mehrwert bietet Atrigam gegenüber anderen technologischen Lösungen?

Auf der einen Seite gibt es bislang statische Lösungen wie ERP-Systeme, die eher der Dokumentation als der kollaborativen Zusammenarbeit dienen, und auf der anderen Seite stehen reine Kommunikationstools wie Microsoft Teams oder Zoom, die auf jeglichen Kontext verzichten. Wir platzieren uns genau dazwischen: Mit unserer Plattform Atrigam können unsere Kunden individuelle Lösungen entwickeln, um in konkreten, strukturierten Kontexten schnell die wesentlichen Informationen mit den relevanten Personen auszutauschen.

Warum setzt Atrigam darauf, dass die Kunden diese Lösungen selbst entwickeln?

Obwohl die Mitarbeiter im Unternehmen ihre eigenen Probleme am besten kennen, ist es für sie praktisch unmöglich, selbst technologische Lösungen zu entwickeln, weil sie dafür auf IT-Experten angewiesen sind. Bei der Gründung von Atrigam hat mich deshalb das Ziel angetrieben, eine Technologie zu schaffen, die so einfach zu bedienen ist, dass auch Mitarbeiter ohne besondere IT-Kenntnisse dazu befähigt werden, ihre Probleme selbst zu lösen. Das beschleunigt den Prozess erheblich: Man muss nicht erst ein Softwareteam oder einen externen Entwickler beauftragen, sondern kann einfach in fünf Minuten selbst einen Task-Flow bauen. Insbesondere wenn unvorhergesehene Situationen eintreten, braucht man schließlich direkt eine Lösung und kann nicht wochenlang warten. Außerdem können die Task-Flows mit unserer Plattform jederzeit erweitert werden. Die wenigsten Mitarbeiter können schon am ersten Tag sagen, wie genau die Lösung aussehen soll, die sie sich wünschen. Stattdessen stellen sie erst beim Ausprobieren fest, was noch verändert werden muss. Deshalb ist es deutlich effizienter, in fünf Minuten eine schnelle erste Version zu bauen und zu testen, statt zunächst seitenlange Spezifikationen zu schreiben, dann auf die Entwicklung zu warten und beim Testen schließlich festzustellen, dass trotzdem noch etwas fehlt.

Für wen ist die Nutzung der Produktivitätsplattform von Atrigam interessant?

Unsere Plattform ist nicht auf eine spezielle Industrie ausgerichtet, sondern branchenübergreifend einsetzbar. Interessant ist die Nutzung überall dort, wo bei einer ganz konkreten Aufgabe mehr als zwei Personen involviert sind. Wenn ich merke, die Beteiligten fangen an, das Problem ineffizient per E-Mail und Telefon zu lösen, ohne einen strukturierten Ansatz zu verfolgen, dann lohnt es sich, unsere Plattform einfach mal auszuprobieren. Schließlich ist eine Anwendung in fünf Minuten gebaut, sodass das zeitliche Investment gleich null ist. Auf unserer Webseite können Unternehmen sich registrieren und eine kostenlose Testversion ihrer Anwendung bauen. Erst wenn sie sich entscheiden, die Lösung in einer Produktivumgebung zu nutzen, werden Kosten fällig.

Wie funktionieren die Lösungen, die mit Atrigam gebaut werden können?

Unsere mobilen Applikationen bieten eine Kombination aus einem strukturierten Kontext mit Interaktionen, mittels derer Informationen erfasst und editiert werden können, und einem kontextbasierten Messenger. Bei der Erstellung einer Anwendung kann man verschiedene Personen in unterschiedlichen Rollen hinzufügen, zum Beispiel den Elektriker, den Logistiker oder den Projektmanager – so einfach wie bei einer WhatsApp-Gruppe, nur in einem strukturierten Kontext. Man kann entscheiden, welche Person bei welchem Feld eine Angabe machen oder bei einer Änderung benachrichtigt werden soll. Mit einem Klick auf die entsprechende Push-Notification landet die Person direkt in dem entsprechenden Kontext und hat alle Informationen in Echtzeit verfügbar. Die Tatsache, dass unsere Anwendungen mobil sind, beschleunigt die Abläufe zusätzlich. Wenn ich als Projektmanager den ganzen Tag in Meetings sitze, komme ich vielleicht nicht dazu, ausführlich meine E-Mails zu beantworten, aber für einen schnellen Klick in einer App finde ich trotzdem zwischendurch Zeit.

Für welche konkreten Anwendungen eignet sich Atrigam?

Ein konkreter Anwendungsfall, der auch für die Pharma- und Chemiebranche relevant ist, ist das Eskalationsmanagement. Wenn Störungen im Produktionsablauf auftreten, erfolgt die Eskalation in der Regel per E-Mail oder Telefon. Das ist nicht nur zeitaufwändig, sondern es passiert auch oft, dass die Informationen zu spät weitergeleitet werden. Zum Beispiel versucht der Techniker erst einmal selbst, die Maschine zu reparieren, vergisst darüber die Zeit, und am Ende wundert sich das Management, warum die Produktionslinie den ganzen Tag stillstand. Mit unserer Lösung können die Informationen automatisiert, zeitgesteuert und kontextabhängig nach oben eskaliert werden. Als Erstes gibt der Nutzer ein, um was für eine Art von Störung es sich handelt. Innerhalb dieses Kontextes können daraufhin automatisiert oder manuell Personen hinzugefügt werden, die dabei helfen sollen, das Problem zu beheben. Das Interessante daran ist, dass wir immer ein strukturiertes Umfeld haben. Wenn der Nutzer angibt, dass die Störung aufgrund eines Stromausfalls besteht, lädt das System zum Beispiel automatisch den Elektriker ein. Wenn hingegen fehlendes Material die Ursache ist, können die Logistikabteilung oder sogar die entsprechenden Lieferanten eingeschaltet werden. Darüber hinaus sind mit Atrigam auch komplexere Anwendungen, zum Beispiel im Produktänderungsmanagement oder im Krisenmanagement, möglich.

Atrigam Eskalationsmanagement

In welchem Entwicklungsstadium befindet sich Atrigam zurzeit?

Die ersten Ideen für das Konzept hatte ich schon vor fünf Jahren. Vor sieben Monaten wurde Atrigam dann offiziell gegründet. Aktuell arbeite ich mit meinem Co-Founder Roland Rust und mit vier weiteren selbstständigen Entwicklern zusammen. Zurzeit führen wir die ersten Pilotprojekte zu den Themen Eskalationsmanagement und Produktänderungsmanagement in der Automobilzuliefererindustrie durch, sind aber auch mit weiteren Unternehmen zum Beispiel aus dem Maschinen- und Anlagenbau im Gespräch.

Was sind die nächsten Ziele für Atrigam?

Zum einen sind wir auf der Suche nach weiteren Interessenten für Pilotprojekte. Bis Ende des Jahres wollen wir aber auch die ersten zahlenden Kunden gefunden haben. In den bisherigen Pilotprojekten hat sich gezeigt, dass die Plattform stabil ist und auch in großen Konzernen produktiv genutzt werden kann.

Was erhofft ihr euch von der Zusammenarbeit mit 5-HT?

Im Unterschied zu anderen Startups, die ein vordefiniertes Problem lösen, wollen wir Unternehmen dazu befähigen, ihre individuellen Herausforderungen selbst anzugehen. Da 5-HT in engem Kontakt mit verschiedenen Unternehmen steht, hoffen wir, dadurch mehr über konkrete Industrieprobleme zu erfahren und mit dem einen oder anderen Unternehmen ins Gespräch zu kommen. In einer einstündigen Besprechung können wir bereits herausfinden, ob wir das jeweilige Problem mit unserer Plattform lösen können oder nicht, und wenn ja, können wir gegebenenfalls sogar direkt eine Lösung umsetzen, sodass der Kunde aus dem ersten Meeting sofort eine funktionierende Anwendung mitnehmen kann.

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