Diese validierte Plattform hilft Pharmaunternehmen, Risiken entlang der Supply Chain zu verringern

Maria Weber

Startup Stories

Der Transport von Pharmaprodukten birgt erhebliche Risiken: Bei temperaturgeführten Produkten besteht die Gefahr von Temperaturabweichungen; falsches Handling kann Beschädigungen verursachen und zusätzlich besteht die Gefahr des Diebstahls oder der Einschleusung von Produktfälschungen. Insbesondere der Transport per Flugzeug ist sehr risikobehaftet, da hierbei viele verschiedene, teilweise unbekannte Akteure im Rahmen der Lieferkette involviert sind – von Transportunternehmen über Handling Agents bis zu Terminalbetreibern. Pharmaunternehmen können dabei häufig nur schwer beurteilen, wie zuverlässig die einzelnen Akteure sind. Die 2013 eingeführte Good Distribution Practice (GDP) legt jedoch fest, dass die Hersteller die Verantwortung für den Transport von Pharmaprodukten bis zum Endkunden tragen – und somit bei der Auswahl ihrer Lieferkettenpartner dazu verpflichtet sind, das Risiko zu minimieren. Doch bislang fehlt ein entsprechendes Tool, mit dem sich die Qualifikationen und Infrastruktur der verschiedenen Anbieter evaluieren lassen.

Das Eschborner Startup MYTIGATE, das Teil des Netzwerks von 5-HT ist und an der diesjährigen Ausgabe des Startup-Bootcamps 5-HT X-Linker teilgenommen hat, arbeitet an einer Lösung für dieses Problem: Die Risikomanagement-Plattform MYTIGATE soll es Logistik- und Qualitätsmanagern der Pharmaindustrie und der Speditionsbranche ermöglichen, das Risiko für einzelne Transportpartner und -strecken zu beurteilen – und dementsprechend diejenigen auszuwählen, bei denen das geringste Risiko besteht.

MYTIGATE Team

Dies funktioniert über Selbstauskünfte der Dienstleister, die auf der validierten Software-as-a-Service-(SaaS)-Plattform Angaben zu ihrer Infrastruktur, ihren Prozessen, ihren Qualifikationen und Zertifikaten machen können. Die Fragen, die die Dienstleister beantworten müssen, wurden zusammen mit Industriepartnern erarbeitet, um eine hohe Relevanz der Aussagen zu gewährleisten. Dabei wirkt MYTIGATE potenziellen Täuschungsversuchen entgegen, indem Plausibilitätschecks eingebaut werden. Darüber hinaus werden zum Beispiel Qualitätsdaten, die die Pharmaunternehmen mithilfe von Temperatur-Datenloggern sammeln, mit einbezogen. Basierend auf diesen Informationen wird für jeden Supply-Chain-Partner und jede Transportstrecke eine individuelle Risikokennzahl errechnet.

Dadurch sind Pharmaunternehmen in der Lage, einen transparenten Überblick über ihre Lieferketten zu erhalten, bei der Planung ihrer Transportrouten Risiken zu minimieren und somit GDP-konform zu arbeiten. Gleichzeitig bietet MYTIGATE die Möglichkeit, im Rahmen von Audit Trails jede Änderung nachvollziehbar zu machen, was die Dokumentation gegenüber Behörden erleichtert.

Warum ein Tool zur standardisierten Sammlung von Daten dringend gebraucht wird

Gegründet wurde das Startup im Dezember 2017 im Rahmen des LOEWE-Forschungsprojekts „Pharma Supply Chain Risk Assessment“. Dr. Yvonne Ziegler, die heute als Sales Consultant für MYTIGATE tätig ist, arbeitete zuvor viele Jahre in der Luftverkehrsbranche.

An dem Forschungsprojekt, das sich mit der Entwicklung von MYTIGATE beschäftigte, waren neben der Frankfurt University of Applied Sciences, der Hochschule Fulda und der Hochschule Rhein/Main die Pharmaunternehmen Bayer und Boehringer Ingelheim, das Transport- und Logistikunternehmen GEFCO und das IT-Unternehmen Cyntegrity beteiligt. Zusätzlich wurde ein Beirat mit Experten aus den Bereichen Transport, Planung und Qualitätsmanagement ins Leben gerufen, in dem unter anderem Experten von Merck, Roche, Lufthansa Cargo und DB Schenker vertreten waren.

Unmittelbar nachdem das Forschungsprojekt im März 2020 zu Ende gegangen war, startete MYTIGATE in das operative Geschäft. Die Teilnahme an X-Linker, dem Startup-Bootcamp für Neugründungen in den Bereichen Digital Chemistry und Digital Health, gab MYTIGATE im Februar 2020 die Gelegenheit, sich dafür fachlichen Input zu holen und sich mit Experten über Themen wie Preisgestaltung und Finanzierung auszutauschen.

Dr. Yvonne Ziegler bei der Abschlusspräsentation des 5-HT X-linkers

Aktuell arbeitet MYTIGATE daran, die ersten Kunden zu akquirieren und die Software einem Usability-Test zu unterziehen, um mögliche zusätzliche Wünsche aus der Industrie einzubinden. „Wir freuen uns aber über weitere Pharmaunternehmen und Spediteure, die Interesse haben, unser Tool zu verwenden“, sagt Dr. Ziegler. „Ebenfalls sind wir offen für Business Angels, die Interesse haben, in dieser frühen Phase in unsere Plattform zu investieren.“ 

„Aktuell, in Zeiten von Corona, dürfte das Thema Supply Chain noch mal eine besondere Bedeutung gewinnen“, meint Dr. Ziegler. „Ich würde mir wünschen, dass alle die persönliche Sichtweise verlassen und reflektieren, dass jetzt die Chance ist, ein zentrales, standardisiertes Tool für die gesamte Industrie aufzubauen. Dazu gehört auch, dass man die wahrgenommenen Risiken auf einer Supply-Chain-Strecke mit Anderen teilt. Das ist für Pharmaunternehmen eine gute Chance, einen eigenen Beitrag zu leisten, damit die Qualität der Transporte für die gesamte Branche verbessert wird und mehr Transparenz entsteht.“

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