Daten statt Reagenzglas - KI-gestützte Simulationen für Forschung und Entwicklung

Corinna Herrmann

Startup Stories

Die Erforschung und Entwicklung neuer innovativer Produkte erfordert im Allgemeinen einen hohen Einsatz von Ressourcen und Zeit – so auch in der Chemie- und Pharmabranche. Um die Entwicklungsprozesse für diese Unternehmen effizienter zu gestalten, entwickelt das Berliner Startup QoD Technologies die Softwarelösung Quantum on Demand, die es ihnen ermöglicht, Simulationen in ihre Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu integrieren. Im Interview sprechen die drei Gründer Dr. Marcel Quennet, Dr. Gunter Hermann und Dr. Vincent Pohl, die auch am 5-HT-Programm X-Linker teilgenommen haben, darüber, wie ihr Konzept die Forschung in Chemie- und Pharmaunternehmen optimieren kann.

Foto: Ananda Rieber – www.ananda-rieber.de (CC BY-SA 4.0)

Was verbirgt sich hinter QoD Technologies?

Marcel: Wir entwickeln eine Softwarelösung für vollautomatisierte chemische Vorhersagen. Diese basieren auf modernsten Simulationsmethoden und künstlicher Intelligenz und ermöglichen es, Eigenschaften von Materialien und pharmazeutischen Wirkstoffen und Teile von Experimenten am Computer vorherzusagen. Als Resultat kann teilweise auf die Wirkstoffsynthese und Durchführung von Experimenten im Labor verzichtet werden. Dies kann in erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen für Chemie- und Pharmaunternehmen bei der Erforschung und Entwicklung neuartiger Chemikalien, Materialien und Medikamente resultieren.

Welche Probleme löst QoD Technologies bei der Entwicklung neuer chemischer Produkte?

Gunter: Da die Entwicklung von neuen Chemikalien und pharmazeutischen Wirkstoffen ein sehr kosten- und ressourcenintensiver Prozess ist, werden vermehrt Simulationen zur Verkürzung der Entwicklungszeit dieser Produkte eingesetzt. Jedoch können sich die kostspielige Software und Infrastruktur sowie die nötigen Experten und Expertinnen meist nur Großkonzerne leisten. Mit QoD Technologies stellen wir ein Gesamtpaket für Simulationen in einer einzigen Softwarelösung (Quantum on Demand) und mit einem – insbesondere für KMU – attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis zur Verfügung.

Quantum on Demand Software

Welche konkreten Forschungsvorhaben lassen sich mit eurer Lösung erleichtern?

Vincent: Ein Beispiel ist die Entwicklung einer neuen organischen Solarzelle. Hierbei sind die Absorptionseigenschaften, d.h. in welchem Bereich des Sonnenlichts die gewünschte Verbindung absorbiert, und die strukturelle Stabilität wichtige Parameter. Mithilfe unserer Softwarelösung können Forscher und Forscherinnen unter den potenziellen Kandidaten die vielversprechendsten Verbindungen identifizieren und auch am Computer optimieren. Das erspart ihnen viele Teilschritte im Labor. So müssen beispielsweise nicht alle Kandidaten im Labor synthetisiert und charakterisiert werden.

Gunter: Im Allgemeinen lässt sich eine Vielzahl der messbaren chemischen und physikalischen Eigenschaften vorhersagen. Dazu gehören unter anderem strukturelle, spektroskopische und thermodynamische Eigenschaften sowie Bindungs- und Adsorptionsenergien. Wir arbeiten permanent an der Erweiterung dieses Spektrums.

Was ist das Besondere an eurer Technologie?

Marcel: Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, unsere daten- und simulationsbasierten Vorhersagen jeder Forscherin und jedem Forscher in der Chemie- und Pharmabranche zugänglich zu machen. Um die Eintrittsbarriere so niedrig wie möglich zu halten, sind drei Komponenten von großer Bedeutung. Zum einen haben wir den kompletten Workflow der Simulationen automatisiert. Dafür sind normalerweise viele kleinschrittige manuelle Prozesse und ein hohes Maß an Expertise zur Wahl der passenden Simulationsmethode nötig. Zum anderen stellen wir den Unternehmen die nötige Software und IT-Infrastruktur zur Verfügung. Die letzte Komponente ist die nahtlose Integration unserer Lösung in die Arbeitsabläufe der Forscher und Forscherinnen. Dazu haben wir neben einer benutzerfreundlichen Web-Applikation eine Schnittstelle entwickelt, die es ermöglicht, unsere Lösung einfach in bestehende Software, wie elektronische Laborjournale, zu integrieren.

Gunter: Ein weiterer wichtiger Bestandteil unserer Softwarelösungen ist die Anwendung künstlicher Intelligenz für die chemischen und biochemischen Vorhersagen. Diese beruhen auf einem großen Datensatz an experimentellen und Simulationsdaten. Auf dieser Basis können wir die Vorhersagen für unsere Kunden und Kundinnen beschleunigen und verbessern.

Wie kam es zur Gründung von QoD Technologies?

Vincent: Die Idee ist während unserer Promotionen entstanden. Wir haben festgestellt, dass Simulationen ein wichtiges Werkzeug für Experimentatoren sind, um tiefere Einblicke in ihrer Forschung zu erhalten. Jedoch fehlte ihnen häufig die nötige Expertise, um die Vielzahl an aufwendigen und komplexen Teilschritten selbständig durchzuführen. Daher sind wir davon überzeugt, dass die Experimentatoren von einer Softwarelösung, die diese Teilschritte vollautomatisch durchführt, profitieren könnten. Mit der finanziellen Unterstützung durch das Berliner Startup Stipendium begannen wir im September 2018 mit der Validierung unserer Geschäftsidee. Seit April werden wir durch das EXIST-Gründerstipendium gefördert.

Wie weit seid ihr aktuell in der Entwicklung?

Marcel: Wir haben mittlerweile ein Proof of Concept unserer Software entwickelt, den wir aktuell mit ersten Pilotkunden testen. Darüber hinaus arbeiten wir mit externen Partnern zusammen, um unsere Software in weitere Software, wie z.B. Laborjournale, zu integrieren. Nach der Evaluation und Weiterentwicklung unserer Software wollen wir möglichst bald einen öffentlichen Betatest durchführen.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Vincent: In fünf Jahren werden wir unsere Produktpalette so weit ausgebaut haben, dass Simulationen von hochkomplexen Verbindungen wie High-Performance-Materialien automatisiert möglich sind. Natürlich sollen diese Vorhersagen auf Basis von intelligenter Datenverknüpfung kombiniert mit künstlicher Intelligenz um ein Vielfaches schneller sein, als es derzeit möglich ist.

Zusammen mit elf anderen Startups habt ihr im Mai 2019 an unserem Programm X-Linker teilgenommen, bei dem es verschiedene Mentoring-Sessions gab und bei dem sich Startups mit Investoren und Corporates vernetzen konnten. Was habt ihr daraus mitgenommen?

Marcel: Damals waren wir mit QoD Technologies noch in einer frühen Phase, gerade im zweiten Monat des EXIST-Gründerstipendiums. Neben den Pitching-Sessions waren vor allem die Mentoring-Sessions zu Themen wie Business Model, Product und besonders Team sehr wertvoll für uns. Wir haben umfangreiche Einblicke in die verschiedenen Themen erhalten. Das Feedback der Mentoren half uns, einige Details unseres Geschäftsmodells genauer zu durchdenken, bestätigte uns aber auch in vielen Bereichen. Das war gerade in unserer frühen Phase sehr hilfreich. Beim Corporate Speeddating war es interessant zu sehen, wie Großkonzerne unser Produkt einschätzen. Außerdem war die Kontaktaufnahme zu den Verantwortlichen in den Unternehmen sehr förderlich. Die dort geknüpften Kontakte werden uns helfen, Projekte anzustoßen.

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