Das „Olympia-Bootcamp“ für Startups in den Life Sciences

Judith Hillen

Allgemein

5-HT und Life Science Accelerator Baden-Württemberg sind Partner

Gründungswillige, die in den Life Sciences ihr eigenes Unternehmen aufbauen wollen, haben es oft nicht leicht. Regulatorische Vorgaben, patentrechtliche Fragen und die Suche nach Geldgebern sind nur einige der Herausforderungen. „Wissenschaftliche Teams merken in der Regel schnell, dass sie eine große Distanz zum Markt haben“, sagt Dr. André Domin, der CEO des Technologiepark Heidelberg. „Während IT-Startups oft zu Beginn eine Marktlücke identifizieren und dafür dann eine Software entwickeln, läuft es bei Startups in den Life Sciences andersherum. Die Gründer haben zum Beispiel in ihrer Forschung an der Universität ein neues Molekül entdeckt und überlegen sich daraufhin, wie sie daraus ein Produkt machen können – ohne zu wissen, was der Markt eigentlich braucht und wie sie ihn betreten können.“

Genau dafür organisiert der Technologiepark Heidelberg, zusammen mit weiteren Partnern wie der Wirtschafts- und Strukturförderung der Stadt Mannheim und dem MAFINEX Gründerverbund Rhein-Neckar, den Life Science Accelerator Baden-Württemberg (LSA). Im Rahmen des Startup Booster, eines zwölfmonatigen Programms, lernen Gründungswillige aus den Life Sciences in Workshops sowie in individuellen Coaching- und Mentoring-Sessions alles, was sie brauchen, um herauszufinden, ob und wie sie aus ihrer Ursprungsidee ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen können.

Life Science Accelerator Baden-WürttembergLife Science Accelerator Baden-Württemberg

„Seit dem Start des LSA im Juli 2017 haben wir bereits 56 Startups aus den Bereichen Medtech, Biotech und Digital Health betreut“, bilanziert Markus Bühler, der neben Bodo Brückner der erste Ansprechpartner für die Programmteilnehmer ist. „Dabei richten wir uns an Teams mit Gründungsabsicht, die aus einer Forschungseinrichtung kommen, von der sie häufig ein Patent in den Rucksack gelegt bekommen haben“, ergänzt André Domin. Der größte Teil der Startups stammt aus der Metropolregion Rhein-Neckar und aus anderen Regionen Deutschlands, aber auch Teams aus Frankreich und Indien haben schon teilgenommen. 5-HT unterstützt den LSA dabei, indem der Digital Hub geeignete Startups aus seinem Netzwerk an den Accelerator vermittelt.

Beratung von fachkundigen Mentoren

Die Gründerteams, die sich erfolgreich für die Teilnahme am LSA beworben haben, erwartet ein umfangreiches Programm. „Wir veranstalten ungefähr 25 Vorträge und Workshops im Jahr, bei denen die Startups Informationen zu gründungsrelevanten Themen in den Life Sciences bekommen“, erklärt Bühler. Zusätzlich erhalten die Teams individuelle Unterstützung. Mit ihren Fragen oder Anliegen wenden sie sich zunächst an die beiden Programmverantwortlichen Markus Bühler und Bodo Brückner. „Wenn wir selbst nicht weiterhelfen können, verknüpfen wir die Startups daraufhin mit Mentoren oder Experten aus unserem Netzwerk“, sagt Bühler. Während die Mentoren ehrenamtlich tätig sind, werden die Experten für ihre intensivere Zusammenarbeit mit den Startups vergütet. Da der LSA diese Kosten übernimmt, bleiben die Leistungen für die Gründerteams kostenlos. Im Rahmen einer Kooperationspartnerschaft unterstützt 5-HT den LSA dabei mit der Bereitstellung von Mentoren oder Experten aus seinem Netzwerk.

„In den Beratungen mit Mentoren oder Experten kann es um ganz unterschiedliche Fragen gehen“, sagt Markus Bühler. „Zum Beispiel: Wie muss eine klinische Studie für mein Produkt aussehen? Wie sollte das Qualitätsmanagement gestaltet werden? Und wie erstelle ich einen Finanzplan?“

Einer der Mentoren, die den Startups mit ihrer Expertise weiterhelfen, ist der Heidelberger Patent und Trademark Attorney Dr. Daniel Schaft. In über drei Jahren hat er zwischen 20 und 30 Teams aus dem LSA betreut – manche von ihnen im Einzelgespräch, manche in Workshops zu Themen des gewerblichen Rechtsschutzes, insbesondere Marken- und Patentrecht. „Wir helfen den Startups dabei, eine Schutzrechtsstrategie zu entwickeln, und beraten sie zum Beispiel bei der Frage, ob es für sie Sinn macht, ein Patent anzumelden, oder ob sie andere Wege gehen sollten, um ihr geistiges Eigentum zu sichern“, erklärt Schaft. Er und seine Partner der Kanzlei Ullrich & Naumann finden es spannend, durch den LSA immer wieder neue Startups kennenzulernen. „Das ist für uns eine gute Gelegenheit, zu sehen, welche Innovationen in der Region vorangetrieben werden. Außerdem kommen wir dadurch in Kontakt mit jungen Unternehmen, die wir möglicherweise auf ihrem Erfolgsweg begleiten können.“

„Mit Herzblut und Engagement“

Eines der ersten Startups, die am LSA teilgenommen haben, ist AUCTEQ Biosystems. Das Biotech-Unternehmen mit Sitz im Mannheimer CUBEX41 entwickelt elastische Bioreaktoren, die sich von 100 ml auf 20 l ausdehnen können. Weil die Zellkulturen dadurch im Verlauf ihres Wachstums immer im gleichen Gefäß bleiben können, verringern sich sowohl das Kontaminationsrisiko und der Arbeitsaufwand als auch der Plastikverbrauch. Bereits 2017/18 war das Team beim Startup Booster dabei. „Die Teilnahme am LSA war eine tolle Erfahrung für uns“, erzählt CEO und Gründer Valentin Kramer. „Der LSA ist wie ein Olympia-Bootcamp für Startups: Man bekommt einen Rundumschlag von allem, was man wissen muss, und wenn man am Ende rausgeht, hat man sich stark verbessert.“ Valentin Kramer kann sich gar nicht entscheiden, was ihm am meisten geholfen hat – die Informationen zu rechtlichen Fragen, zum Thema Zertifizierung oder zur Investorensuche, der Kontakt zu anderen Startups oder die Pitch Trainings. „Das Programm als Ganzes war super.“

Life Science Accelerator Baden-WürttembergLife Science Accelerator Baden-Württemberg

Aktuell, in Zeiten von Corona, läuft beim LSA alles etwas anders als sonst. „Das Programm findet jetzt komplett virtuell statt, mit Online-Vorträgen und -Seminaren, aber auch mit individuellen Coaching-Terminen“, erzählt Simon Kuttruf. Seit Oktober 2020 nimmt er am LSA teil – mit seinem Startup Praxisconcierge, das Konversations-KI für Arztpraxen und Krankenhäuser entwickelt, sodass die Anliegen von Patienten automatisiert erfasst und bearbeitet werden können. „Die Referenten und Mentoren waren bisher wirklich hervorragend“, sagt Kuttruf. „Wir haben sehr viel mitgenommen. Vor allem die Themen Finanzierung und Finanzplanung sind zurzeit relevant für uns.“ Was der Gründer am Startup Booster besonders schätzt, ist die Fokussierung auf die Life Sciences. „Mir ist kein anderes Programm bekannt, das so speziell auf die Anforderungen von Startups im Gesundheitsbereich zugeschnitten ist.“ Auch wenn sich wegen Corona der persönliche Austausch mit den anderen Gründerteams etwas schwieriger gestaltet, ist Simon Kuttruf insgesamt begeistert. „Bodo und Markus treiben den LSA wirklich mit Herzblut und Engagement voran.“

Einzigartiges Angebot in Deutschland

Was aus Sicht der Organisatoren das Besondere am LSA ist, ist die individuelle Betreuung. „Es gibt zwar ein standardisiertes Programm, aber zusätzlich bieten wir sehr teamspezifische Beratungsmöglichkeiten an, sodass die Gründer genau an den Stellen unterstützt werden, an denen sie am meisten auf Expertise von außen angewiesen sind“, sagt André Domin. Markus Bühler fügt hinzu: „Dieses Angebot ist im Life-Sciences-Bereich hierzulande einzigartig. Das merken wir auch daran, dass sich Teams aus ganz Deutschland bei uns bewerben.“

In welche Richtung der LSA sich in Zukunft weiterentwickeln soll, erläutert André Domin: „Als Life Science Accelerator brauchen wir einerseits sehr gute Kontakte in die Forschungseinrichtungen, und andererseits schlagen wir die Brücke zur Praxis. Deshalb wollen wir in Zukunft unser Netzwerk von Experten aus der Wirtschaft weiter verdichten – nicht nur in der Metropolregion Rhein-Neckar, sondern auch national und international.“ Gleichzeitig, so Domin, will der LSA in Zukunft auch verstärkt Startups aus der ganzen Welt ansprechen. „Weil 5-HT bereits ein großes internationales Netzwerk von Startups aus den Life Sciences aufgebaut hat, wollen wir hierfür in Zukunft noch enger mit dem Digital Hub zusammenarbeiten.“

Für Startups und Gründungswillige in den Life Sciences hat Markus Bühler noch einen Tipp parat: „Ich würde mich intensiv umschauen, welche Fördermöglichkeiten zur Verfügung stehen. Gerade in Baden-Württemberg gibt es sehr viele Angebote für hochinnovative Startups, zum Beispiel auch das X-Linker Startup Bootcamp von 5-HT. Deshalb empfehle ich allen Gründern in den Life Sciences, so viele dieser Angebote wie möglich wahrzunehmen, um ihr Know-how zu vergrößern und ihr Netzwerk weiter auszubauen.“

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