Back to life – digitaler Gesundheitscoach verbessert die Lebensqualität für Rheumapatienten

Celine Jörns

Startup Stories

1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. 1,5 Millionen Menschen werden täglich durch geschwollene, entzündete Gelenke und extreme Schmerzen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Und leider ist das Rheuma dieser 1,5 Millionen Menschen nicht heilbar. Wie können wir also diesen Menschen helfen? Diese Frage haben sich Christine Peine und Felix Lang gestellt, als sie das Startup Midaia gegründet haben. Und sie haben eine Lösung gefunden: Mit ihrer Gesundheitsapp „Mida Rheuma“ verfolgen sie die Vision, das Wohlbefinden von Rheumapatienten zu verbessern und deren Krankheitsaktivität zu reduzieren, indem sie personalisierte Gesundheitspläne zur Verfügung stellen. In unserem gemeinsamen Interview erzählen die zwei der vier Gründer*innen, wie ein digitaler Gesundheitscoach Rheumapatienten helfen kann, welche Rolle Lifestyleanpassungen in der Krankheitsgeschichte spielen und welche Schritte das Startup für die Zukunft geplant hat. 

Christine Peine und Felix Lang

Gesundheitscoaching für eine höhere Lebensqualität

Die Lösung von Midaia fokussiert sich auf nicht-medikamentöse Therapien von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Der digitale Gesundheitscoach Mida fragt verschiedene Dinge aus dem Alltag des Patienten ab. Konkret sind das Fragen wie: Wie geht es dem Patienten heute? Welche Schmerzen hat er? Wie ernährt er sich? Nachdem die abgefragten Daten analysiert wurden, entwickelt Mida darauf basierende, individuelle Gesundheitspläne. „Die Pläne sind relativ kurz und enthalten konkrete Anweisungen, wie der Patient verschiedene Dinge in seinem Lebensstil verbessern kann. Zum Teil handelt es sich hierbei um Bewegungsanweisungen, Empfehlungen, wie man die Ernährung verbessern und anti-entzündlich essen kann, oder auch Hilfestellungen zum Umgang mit Depressionen und Schmerzen“, erklärt Christine, eine der Gründer*innen von Midaia. 

Die Empfehlungen hat das Midaia Team anfangs aus Analysen der gesamten wissenschaftlichen und medizinischen Leitlinien aus Deutschland und Europa abgeleitet. Sobald neue Studien publiziert werden, lässt Midaia die Ergebnisse miteinfließen, um den Patienten die neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen zur Verfügung stellen zu können. „Dieses System verbessern wir über die Zeit immer wieder, damit es noch smarter und personalisierter wird“, so Christine. 

Lifestyle und Gesundheit – zwei verschiedene Paar Schuhe?

Doch wie soll mir ein digitaler Gesundheitscoach helfen, wenn ich nicht einmal durch Medikamente und ärztliche Betreuung geheilt werden kann? Vielen Menschen und auch Patienten ist nicht bewusst, dass alles, was wir tun einen Einfluss auf die Krankheit nimmt. Dazu zählt, wie wir essen, wie wir uns bewegen und sogar wie man zu der eigenen Erkrankung eingestellt ist. Aus diesem Grund legt Felix, ebenfalls Gründer von Midaia, ein Augenmerk auf die Wichtigkeit von Lifestyleanpassungen innerhalb der Krankheitsgeschichte: „Lifestyleanpassungen haben einen riesigen Einfluss auf die Gesundheit. Im Vergleich zu medizinischer Versorgung, die zu 10 bis 20% Einfluss auf chronische Erkrankungen nimmt, spricht man bei Lifestyleanpassungen von 30 bis 50%. Der Lebensstil ist mit am entscheidensten bei diesen chronischen Erkrankungen.“ Um den Patienten bestmöglich helfen zu können, teilt Midaia zusätzlich die ausgewerteten Daten mit dem zuständigen Rheumatologen. „Dem Arzt fehlen oftmals Informationen zwischen zwei Behandlungsterminen. Diese stellen wir ihm durch eine zusätzliche Arztanwendung zur Verfügung, damit er auch medikamentös gesehen bessere Entscheidungen treffen kann“, so Christine. Durch das Zusammenspiel von verbessertem Lebensstil und ärztlicher Behandlung soll dem Patienten ein weitgehend uneingeschränktes Leben ermöglicht werden. 

Von der App zum Medizinprodukt

Die Mida Rheuma App ist eine medizinische digitale Anwendung, weshalb eine Zulassung zum Medizinprodukt unerlässlich ist. Um sicherzustellen, dass der Nutzen einer solchen Anwendung größer ist als das Schadensrisiko, gibt es in Europa Gesetze, die diese Zulassung vorschreiben. Der erste Schritt zur Zertifizierung ist eine Risikobewertung, sowie die Mitigation der vorhandenen Risiken. „Durch diesen Schritt haben wir einige Punkte gefunden und verbessert, um unser Produkt so sicher wie möglich zu machen“, sagt Christine. Im zweiten Schritt muss die klinische Wirksamkeit der Anwendung bewiesen werden. Christine erklärt, wie Midaia dafür vorgegangen ist: „Wir haben gezeigt, dass wir die Krankheitsaktivität reduzieren und die körperlichen Einschränkungen der Patienten verbessern. Wenn der zuständige Rheumatologe auch unsere Arztanwendung nutzt, können wir dabei helfen, die Behandlung zu optimieren, sodass weniger Termine benötigt werden.“ Mit Erfolg: Seit dem 24. Mai 2021 ist die Mida Rheuma App als Medizinprodukt der Klasse 1 zugelassen.

„Danke Mida!“ – von Patienten für Patienten

Mida wird schon seit März im Rahmen einer klinischen Studie genutzt. Seit Ende Mai ist die App auch frei öffentlich und kostenlos für alle Betroffenen verfügbar. Felix gibt uns einen Einblick, wie Mida bei den bisherigen Nutzern ankommt: „Inzwischen nutzen die App einige Patienten, die uns extrem gerne begleiten, weil sie das Konzept so toll finden. Sie sehen es auch als Möglichkeit, sich selbst einzubringen und ihre eigenen Erfahrungen an andere Betroffene weiterzugeben. Wir haben bisher sehr gute Bewertungen in den App Stores erhalten.“ 

Der Konkurrenz einen Schritt voraus

Auch im Vergleich zur Konkurrenz kann sich Midaia hervorheben. Im Gegensatz zu dieser stellt der Gesundheitscoach konkrete Aufgaben, die individuell auf jeden Patienten und  seine Bedürfnisse abgestimmt sind. Der Patient erhält von Mida beispielweise nicht nur die Empfehlung mehr Wasser zu trinken, sondern die konkrete Aufgabe, sich abends ein Glas Wasser auf den Nachttisch zu stellen, um morgens schon die erste Flüssigkeit zu sich zu nehmen. „In diesem Punkt sind wir der Konkurrenz weit voraus. Viele Konkurrenten fragen den Patienten nur ab und geben eventuell auch noch eine unkonkrete Empfehlung weiter, doch danach wird der Patient alleine gelassen“, erklärt Christine. Auch hinsichtlich des Symptomspektrums ist Midaia der Konkurrenz einen Schritt voraus, wie Felix weiß: „Es gibt viele Anwendungen auf dem Markt, die sich auf bestimmte Symptome fokussieren, wie z.B. Fatigue, Depressionen oder Schmerzen. Wir hingegen bieten eine patientenzentrierte, holistische Anwendung an, die all diese Symptome, die oftmals auch bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auftreten, in einer Anwendung kombiniert.“

Midaias Mission und wie sie entstand

Gegründet wurde Midaia im August 2020, doch die Vision rheumatisch erkrankten Menschen zu helfen, entstand schon viel früher. Felix selbst hat innerhalb seiner Familie miterlebt, wie stark betroffene Patienten durch die Krankheit eingeschränkt sind und mit welchen Schmerzen sie kämpfen müssen. Während seines Studiums lernte er Christine kennen, die Gesundheitswesen studiert und sich in ihrer beruflichen Laufbahn stark mit dem Thema Digital Health auseinandergesetzt hat. Die beiden haben schnell erkannt, dass es viel Potenzial im Gesundheitswesen und dessen Digitalisierung gibt, vor allem weil es Stand heute noch sehr analog ist. Bereits Ende 2017 haben sie gemeinsam das Projekt Midaia ins Leben gerufen. Den entscheidenden Auftrieb erhielten sie 2019, als zwei weitere Teammitglieder hinzustießen und es ermöglichten, das Produkt zu entwickeln, die Studien vorzubereiten und Midaia zu dem zu machen, was es heute ist. „Wir sind ein diverses, vierköpfiges Gründerteam aus verschiedenen Ländern und außerdem sehr interdisziplinär. Mit einem Rheumatologen, einem IT-ler, Christine als Gesundheitsexpertin und mir als Fachperson für geschäftliche Themen decken wir alle relevanten Kompetenzbereiche ab“, so Felix.

MidaiaDas Midaia-Team

Die nächsten Schritte – das soll Midas Zukunft sein

Als zertifiziertes Medizinprodukt ist Midaia für spezifische Indikationen zugelassen, nämlich Rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritis und Psoriasis-Arthritis. Die Vision des Startups ist es, die Anwendung auf viele weitere chronische Erkrankungen auszuweiten. „Lebensstilanpassungen helfen nicht nur Rheumapatienten, sondern auch anderen Betroffenen wie Diabethes- oder Bluthochdruckpatienten, denen wir ebenfalls helfen möchten“, sagt Christine. Als Medizinprodukt darf Midaia die Anwendung allerdings nicht ohne Weiteres um zusätzliche Krankheitsbilder erweitern, sondern muss diese erneut zulassen. Das dauert seine Zeit. Felix erklärt, welche Schritte in nächster Zeit geplant sind: „Die nächsten Krankheitsbilder, auf die wir uns vorbereiten, sind weitere rheumatische Erkrankungen, wie Osteoporose und Gicht, da wir diese relativ einfach anpassen können.“

„Und dann möchten wir gerne auch in weitere Länder expandieren, da diese Krankheiten nicht nur deutsche Patienten, sondern die weltweite Bevölkerung treffen. Konkrete Pläne hierzu gibt es noch nicht, allerdings haben wir in der Ukraine und Spanien gute Kontakte und würden uns erstmal in diese Richtung orientieren“, ergänzt Christine. 

Mida und 5-HT machen gemeinsame Sache

Durch die Aufnahme in das 5-HT Netzwerk kann Midaia einen großen Mehrwert in zwei verschiedenen Punkten erkennen: „Das 5-HT Netzwerk hat sehr interessante Partnerunternehmen, die für uns als potenzielle zukünftige Kooperationspartner extrem spannend sind. Hier würden wir uns wünschen, dass 5-HT als Plattform dient, um dort Kontakte herzustellen. Darüber hinaus freuen wir uns auch über die Beratungsleistungen von 5-HT. Bereits in den ersten Wochen nach unserer Aufnahme in das Netzwerk, haben wir uns in einem Termin mit dem 5-HT Team kostenfrei zu unserem Geschäftsmodell beraten lassen. Das ist ein echter Mehrwert für uns“, sagt Felix. 

Darüber hinaus hat Midaia als eines von acht ausgewählten Startups an dem von 5-HT organisierten Event „Insuring Digital Health“ teilnehmen dürfen. Im Rahmen des Events haben die Startups die Gelegenheit gehabt, mit acht Krankenkassenvertretern in den direkten Austausch zu gehen. Das Ergebnis sind potenzielle Partnerschaften, die nun in den kommenden Wochen erörtert werden, und vor allem große Lerneffekte. „Welche Themen bewegen die Krankenkassen? Wie lassen sich gesundheitsökonomische Verbesserungen erzielen? Über das Event wurden wir mit den genau richtigen Ansprechpartnern vernetzt und werden nun gemeinsam mit den Krankenkassen erörtern, wie die Versorgung in der Rheumatologie patientenzentriert und gesundheitsökonomisch durch digitale Anwendungen verbessert werden kann“, ergänzt Felix. 

Feedback – das Futter für Fortschritt

Zu guter Letzt zeigt Christine nochmals deutlich, wie sehr sich Midaia am Patienten und den Bedürfnissen der Stakeholder orientiert: „Wir leben eigentlich von Feedback. Das Produkt, das wir entwickeln, entwicklen wir für die Patienten, für die Ärzte und für die Stakeholder im Gesundheitswesen. Deshalb sind wir auch immer offen für alle Art von Feedback, egal wie kritisch. Das hilft uns stetig besser zu werden. Wir sind immer offen, wenn uns jemand kontaktieren möchte und freuen uns sehr darüber.“

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