Mit einer digitalen Plattform gegen die Lebensmittelverschwendung

Judith Hillen

Startup Stories

Jedes Jahr landen 1,3 Milliarden Tonnen und damit etwa ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel im Müll – nicht nur in Privathaushalten, sondern auch bei Erzeugern, im Handel und bei Großverbrauchern. Deshalb haben es sich die Vereinten Nationen zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Im Bereich der tierischen und pflanzlichen Nebenprodukte will das Startup Byprotex aus Frauenneuharting bei München einen Beitrag dazu leisten. Mit einer digitalen Handelsplattform verbindet Byprotex Produzenten und industrielle Käufer miteinander und schafft dadurch eine neue Markt- und Preistransparenz. Im Interview erklärt Dr. Andi Wieser, Gründer und Geschäftsführer des Startups, das Teil des Netzwerks von 5-HT ist, wie Unternehmen mit Byprotex die Lebensmittelverschwendung bekämpfen und gleichzeitig von digitalisierten Ein- und Verkaufsprozessen profitieren können.

Byprotex Dr. Andi WieserByprotex Dr. Andi Wieser

Was wird auf Byprotex gehandelt?

Byprotex ist eine B2B-Plattform für den Handel mit tierischen und pflanzlichen Nebenprodukten, Proteinen, Fetten und pflanzlichen Abfallprodukten von Brauereien sowie Milch- und Molkereiprodukten. Diese Reststoffe können zum Beispiel für die Produktion von Tierfutter, Düngemitteln, Biodiesel oder Oleochemikalien verwendet werden. Viele wissen gar nicht, was für ein Milliardengeschäft dahintersteckt – aktuell beläuft sich der Wert des gesamten potenziellen Marktes auf 428 Milliarden US-Dollar. Bislang gibt es allerdings keinen globalen Marktplatz für tierische und pflanzliche Nebenprodukte. Der Markt ist vollkommen undigitalisiert und intransparent, was die Ein- und Verkaufsprozesse nicht nur sehr aufwendig macht, sondern auch eine massive Lebensmittelverschwendung zur Folge hat. Damit sich das ändert, bringen wir auf unserer Plattform Käufer, Verkäufer und Händler zusammen, um eine globale Markt- und Preistransparenz zu schaffen.

Wie kam es zur Gründung von Byprotex?

Vor der Gründung war ich als CFO bei einem internationalen Handelsunternehmen tätig, das auf tierische Proteine und Fette spezialisiert ist. Dort habe ich erlebt, wie undigital der ganze Markt ist. Die Geschäftsanbahnung findet per Fax, Telefon und E-Mail statt. Den ganzen Tag ist man damit beschäftigt, bei Käufern und Verkäufern nachzufragen, welche Mengen vorhanden sind oder benötigt werden. Außerdem werden viele Lebensmittelabfälle einfach vernichtet, weil auf die Schnelle kein Abnehmer dafür gefunden wird. Dadurch entstand die Idee, eine digitale Plattform aufzubauen, auf der Käufer und Verkäufer von tierischen und pflanzlichen Nebenprodukten direkt sehen können, welche Produkte in welcher Menge an welchem Ort angeboten oder gesucht werden. Diese Idee habe ich bei einem Cofounder-Event in München gepitcht und am selben Abend zwei meiner drei Mitgründer kennengelernt. Im Februar diesen Jahres haben wir die Byprotex GmbH schließlich offiziell gegründet. Seither ist auch unsere Plattform online.

Welche Vorteile hat es, tierische und pflanzliche Nebenprodukte über eine Plattform zu handeln und nicht über Broker, wie es bisher üblich ist?

Broker schlagen hohe Margen von bis zu 40 Prozent auf, wenn sie Produkte weiterverkaufen. Indem wir Käufer und Verkäufer auf unserer Plattform direkt zusammenbringen und dabei Markt- und Preistransparenz schaffen, ermöglichen wir unseren Kunden eine enorme Kostenersparnis, denn Byprotex erhebt lediglich eine Gebühr von 1,5 Prozent pro Transaktion. Die meisten Broker können darüber hinaus keine globale Präsenz vorweisen. Im Gegensatz dazu machen wir es möglich, nach neuen Handelspartnern auf der ganzen Welt zu suchen und damit über persönliche Geschäftsbeziehungen hinauszugehen. Außerdem ist Byprotex nicht nur ein Marktplatz, sondern auch ein Partner, der dabei hilft, die gesamte Transaktionsabwicklung innerhalb der Supply Chain zu digitalisieren, zum Beispiel durch automatisiertes Zahlungs- und Dokumentenmanagement. Diese digitale Prozessoptimierung ermöglicht es unseren Kunden, Arbeitszeit einzusparen. Nicht zuletzt unterstützen wir Unternehmen dabei, gemäß dem Ziel der Vereinten Nationen die globale Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.

Byprotex Grafik GeschäftsmodellByprotex Grafik Geschäftsmodell

Wie funktioniert die Nutzung von Byprotex?

Die Plattform ist wie ein Börsenplatz aufgebaut, auf dem man Angebote und Gesuche aufgeben kann. Im Onboarding-Prozess prüfen wir zunächst die Steuernummer, die Bonität, relevante Zertifikate und die EU 1069/2009-Registrierung, um sicherzugehen, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der Registrierung können Käufer entweder auf ein existierendes Angebot bieten oder eine Kaufanfrage für ein gewünschtes Produkt erstellen, auf das Lieferanten ein verbindliches Angebot abgeben können. Zunächst sind dabei nur die ersten zwei Ziffern der Postleitzahl sichtbar. Erst wenn ein Kaufvertrag zustande kommt, werden Kontaktinformationen zwischen den Beteiligten ausgetauscht. Über den reinen Ein- und Verkauf hinaus sind auf unserer Plattform außerdem verschiedene Services für unsere Kunden integriert.

Byprotex Grafik PlattformByprotex Grafik Plattform

Welche zusätzlichen Dienstleistungen bietet Byprotex an?

Insgesamt gibt es auf unserer Plattform zehn hilfreiche Services rund um die Transaktion, die sich sehr gut digitalisieren lassen. Zum Beispiel bieten wir eine zentrale Dokumentenablage an und stellen branchenspezifische Marktdaten und Analysen bereit. Außerdem können unsere Kunden über die Plattform Zahlungen abwickeln, Warenkreditversicherungen abschließen, ausländische Umsatzsteuernummern überprüfen, Logistikkosten kalkulieren und Logistikdienstleister beauftragen. Über die Blockchain werden alle Dokumente manipulationssicher abgespeichert. Es gibt auch die Möglichkeit, Byprotex als White-Label-Webshop auf der eigenen Plattform einzubinden. Bislang existiert im Bereich der pflanzlichen und tierischen Nebenprodukte keine andere digitale Lösung, die all diese Services in einer Plattform miteinander verbindet.

Wie groß ist die Herausforderung, eine Plattform zu etablieren, die die gewohnten Ein- und Verkaufsprozesse auf dem Markt grundlegend verändern will?

Das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Die aktuellen Geschäftsbeziehungen bestehen oft schon seit vielen Jahren, sodass Unternehmen häufig nicht bereit sind, mithilfe einer Plattform auf flexiblere Prozesse umzusteigen, auch wenn sie dadurch Kosten sparen könnten. Teilweise, zum Beispiel in Schlachtbetrieben, sind Computer außerdem noch nicht so sehr im Einsatz, sodass es schwierig ist, dort digitale Lösungen einzuführen. Außerdem haben manche Unternehmen Angst, auf einer Plattform Informationen über sich preiszugeben, auch wenn die Angaben bei Byprotex anonymisiert sind. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Digitalisierung auch auf dem Markt für tierische und pflanzliche Nebenprodukte durchsetzt. Schließlich ermöglicht die Plattform unseren Kunden eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis.

Wie beeinflusst die Coronakrise die Geschäfte von Byprotex?

Die Coronakrise hat uns stark getroffen. Anfang Februar haben wir die Byprotex GmbH gegründet, nachdem wir die Zusage unseres ersten Lead-Kunden, der Berndt GmbH, hatten. Doch kurz darauf kam Corona. Der internationale Handel mit Nebenprodukten ist in dieser Zeit deutlich zurückgegangen. Viele große Unternehmen interessieren sich zwar für unsere Idee, haben aber aktuell aufgrund von Kurzarbeit und anderen Problemen keine Kapazität, um sich mit neuen Lösungen zu beschäftigen. Wir haben zwar bereits etwa 50 Nutzer auf der Plattform, aber zurzeit gibt es kaum Angebote, weil unsere Kunden sich lieber auf ihre etablierten Geschäftsbeziehungen verlassen.

Was sind die nächsten Ziele für Byprotex – und wie kann 5-HT euch dabei unterstützen?

Es geht jetzt darum, Volumen auf die Plattform zu bringen, sodass dort wirklich Handel stattfindet. Außerdem sind wir auf der Suche nach Investoren, die sich an Byprotex beteiligen wollen oder eventuell auch Interesse an einer Übernahme haben. Ideal wäre ein Company Builder, der über die entsprechenden Netzwerke verfügt und uns auf Vertriebsseite dabei helfen kann, Kunden zu gewinnen. Da 5-HT einen guten Zugang zu verschiedenen Unternehmen aus unserem Bereich hat, lassen sich in diesem Ökosystem möglicherweise neue Kunden finden. Auch auf Investorenseite kann 5-HT vielleicht den Kontakt zu Netzwerkpartnern herstellen, die sich gerne an unserer Plattform beteiligen wollen.

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