Wie sich Bioreaktoren kontinuierlich überwachen und regulieren lassen

Judith Hillen

Startup Stories

Jeden Tag, auch am Wochenende, muss die Glukose-Konzentration in Bioreaktoren per Hand gemessen und angepasst werden. Mit der Lösung des Münchner Startup IRUBIS können biopharmazeutische Unternehmen sich diese Arbeit sparen. Auf der Grundlage der ATR-Infrarotspektroskopie hat das Startup, das Teil des Netzwerks von 5-HT ist, eine Anwendung entwickelt, mit der sich Glukose- und Laktatkonzentrationen in Bioreaktoren kontinuierlich überwachen und regulieren lassen. Im Interview mit 5-HT erklärt CEO und Mitgründer Alexander Geißler, wie Unternehmen dadurch auf einfache und kostengünstige Weise die Produktqualität verbessern und die Ausbeute erhöhen können.

IRUBIS Gründerteam v.l.n.r. Lorenz Sykora, Anja Müller, Alexander Geißler

An welchen Problemen in der biopharmazeutischen Produktion setzt IRUBIS an?

Wir erleichtern die Überwachung von Bioreaktoren, in denen Biopharmazeutika wie zum Beispiel Insulin, komplexe Antikörper oder Impfstoffe hergestellt werden. Für die Zellen, die in dem Nährmedium schwimmen, ist es wichtig, dass zum Beispiel Nährstoffe wie Glukose in einer gleichbleibenden Konzentration vorhanden sind. Denn wenn die Glukosekonzentration konstant bleibt, produzieren die Zellen größere Mengen der gewünschten Stoffe in besserer Qualität. Aktuell wird die Glukosekonzentration in Bioreaktoren in 99 Prozent der Fälle manuell überwacht und reguliert. Tag für Tag müssen die Labormitarbeiter Proben nehmen und gegebenenfalls per Hand die Glukosezugabe steuern. Das ist nicht nur sehr aufwendig, sondern birgt auch ein gewisses Kontaminationsrisiko.

Wie erleichtert IRUBIS die Überwachung von Bioreaktoren?

Auf Grundlage der ATR-Infrarotspektroskopie haben wir eine Lösung entwickelt, mit der sich die Glukosekonzentration in einem Bioreaktor automatisiert überwachen und regulieren lässt. Das spart den manuellen Aufwand im Labor. Weil die Zellen immer optimal versorgt sind, verbessert unser System außerdem die Produktqualität und erhöht die Ausbeute. Unser Gerät ist grundsätzlich mit allen Bioreaktorgrößen und -typen kompatibel. Aktuell können wir die beiden wichtigsten Parameter, Glukose und Laktat, messen. Wir arbeiten aber daran, bald auch Glutamin, Glutamat und Ammonium erfassen zu können.

IRUBIS Produkt

Welche Technologie steckt dahinter?

Wir verwenden als Methode die ATR-Infrarotspektroskopie: Anhand der Intensität der reflektierten Infrarotlichtstrahlen können wir identifizieren, welche Bestandteile in einer Probe enthalten sind. Dafür ist ein ATR-Kristall nötig, auf den die Probe aufgebracht wird und auf den dann das Infrarotlicht gerichtet wird. Dieser Kristall bzw. Probenträger muss spezielle optische Eigenschaften aufweisen. Bisher wird dafür meistens Diamant verwendet – wir haben jedoch einen innovativen ATR-Kristall aus Silizium entwickelt, der nur einen Bruchteil davon kostet. Dadurch ist unsere Technologie sehr kostengünstig und somit auch single-use-fähig.

Wie kam es zur Gründung von IRUBIS?

Mein Mitgründer Lorenz und ich haben uns während unseres Studiums an der TU München in einem interdisziplinären Businessplan-Seminar kennengelernt. Er studierte Physik, ich technische BWL. Im Rahmen seiner Masterarbeit entwickelte Lorenz einen Silizium-Probenträger, den er gerne kommerzialisieren wollte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich bereits bei einem anderem TUM-Spin-off, hatte aber ebenfalls Lust, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Also schlossen wir uns zusammen, beantragten das EXIST-Gründerstipendium und fanden auch unsere dritte Mitgründerin Anja, die an der TU Berlin ihre Masterarbeit im Bereich Infrarotspektroskopie geschrieben hatte. Wir fingen an, unsere ATR-Kristalle an die Forschung zu verkaufen, aber nach einer Weile wollten wir eine neue Anwendung dafür entwickeln. Durch Feedback aus der Forschung und der Industrie kamen wir darauf, dass es interessant wäre, mithilfe unserer Technologie Bioreaktoren zu überwachen. Einige Unternehmen zeigten bereits an unserem ersten Prototyp deutliches Interesse. Das war für uns ein Zeichen dafür, dass wir mit unserer Anwendung ein tatsächliches Problem aus der Praxis lösen.

Was sind die nächsten Ziele für IRUBIS?

Mittlerweile – zweieinhalb Jahre nach der Gründung – befinden wir uns in der vierten Iteration unseres Prototyps, den zurzeit etliche Biopharmaunternehmen im süddeutschen Raum ausführlich testen. Ende des Jahres wollen wir unser Produkt auf den Markt bringen. Der letzte große Meilenstein, den wir erreicht haben, war der Gewinn des EIC-Accelerator-Programms, von dem wir für die nächsten 18 Monate mit 1,3 Millionen Euro unterstützt werden, um zur Marktreife zu gelangen. Vor allem sind wir zurzeit dabei, unser Team von ca. 7 auf 13 Vollzeitstellen zu vergrößern und suchen deshalb nach Verstärkung im technischen Vertrieb und in der Entwicklung.

Wie seid ihr auf 5-HT aufmerksam geworden und welchen Eindruck habt ihr von unserem Netzwerk?

Ein Mentor aus dem Netzwerk von 5-HT, den wir über ein Förderprogramm kennen, hat den Kontakt hergestellt, um die Synergien zwischen uns und der Rhein-Neckar-Region zu nutzen. Dieses Gebiet ist für uns von großer Bedeutung, weil hier viele potenzielle Kunden ansässig sind, die in unserem Bereich forschen und produzieren. Für uns ist es außerdem wertvoll, dass 5-HT auch über diese Region hinaus viele relevante Partner hat. Bei Netzwerken stellt sich der Mehrwert oft nicht sofort heraus, sondern über die Zeit. Deshalb ist es für uns sehr wichtig, unsere Netzwerke wie die Mitgliedschaft bei 5-HT zu pflegen und immer weiter auszubauen.

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