Die Black Box öffnen: Virtual Reality transparent machen

Ronja Schrimpf

Startup Stories

Wer schon einmal mit Virtual Reality (VR) Produkten gearbeitet hat, weiß: Selbst die kleinste Änderung an dem Projekt bedarf Programmierkenntnissen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob lediglich die Farbe eines Objekts geändert oder ganze Szenarien verschobenen werden sollen: Die Zusammenarbeit mit den Entwicklern oder dem jeweiligen VR-Studio ist unabdingbar.

Aber was, wenn man selbst mal eben die Farbe von Objekten ändern oder die Reihenfolge von Szenarien vertauschen könnte? Wenn man selbst einfach Objekte kopieren und wo anders wiedereinfügen könnte? Was, wenn man die einzelnen Objekte parat liegen hätte und daraus selbst Szenarien bauen könnte?

Das klingt wie ein Traum, der ohne tiefe Programmierkenntnisse nicht umzusetzen ist. Das Startup Varwin aber hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Traum in der Realität umzusetzen. Im Interview mit 5-HT verrät Kate Bakhova, wie das Startup die VR-Szene verändern will.

Kate Bakhova

VR nicht als Black Box, sondern als Puzzle.

„Varwin entwickelt VR-Produkte von Anfang an: Das heißt, wir fassen Objekte zusammen, um daraus Szenarien bilden zu können. Daraus entwickeln wir dann ganze Projekte“, erklärt Kate Bakhova, Leiterin des internationalen Vertriebs bei Varwin, „Wir liefern unsere Lösung nicht als Black Box, die Kunden zwar nutzen, aber nicht verändern können. Stattdessen stellen wir die Lösung auf unserer Plattform bereit. Der Vorteil ist: Die Kunden können auf der Plattform alle einzelnen Objekte und Szenerien sehen, sie wiederverwenden und sie vor allem selbstständig verändern. Dazu brauchen die Kunden keine besonderen Programmierkenntnisse.“

Das ist auch der Vorteil gegenüber herkömmlichen VR-Studios, die zwar zufriedenstellende VR-Lösungen anbieten – mit denen der Kunde aber nicht selbstständig weiterarbeiten kann. Selbst für kleinste Veränderungen benötigt es üblicherweise die Hilfe des VR-Studios.

„Wir nennen unsere Plattform gerne ‚Wordpress für VR‘“, erzählt Kate lachend, „Unsere Plattform bietet Puzzles mit den unternehmenseigenen Logiken, die die Unternehmen dann auf alle erdenklichen Arten zusammenbauen können. Dadurch entstehen ganz individuelle VR-Lösungen.“

1 VR-Produkt. 0 Programmierkenntnisse benötigt.

Varwin bietet potentiellen Kunden drei Versionen ihrer Software. Die erste Version, die sogenannte Free Edition, ist sogar kostenlos auf der Website von Varwin erhältlich. Kate erläutert: „Die Möglichkeiten unserer Free Edition sind natürlich begrenzt. Sie ist gut, um kleine VR-Projekt zu starten, ein bisschen rumzuprobieren und natürlich unsere Software zu testen.“

Mit der Professional Edition sind dem Kreieren von VR-Produkten keine Grenzen mehr gesetzt. Mit dieser Version können Kunden VR-Produkte bauen und die fertigen Teile weiterleiten.

Noch mehr Möglichkeiten bietet nur die Server Edition, bei der die VR-Produkte auf einem externen Server gelagert werden. „Diese Version ist besonders für Unternehmen geeignet, die weltweit agieren und als distributed development-Unternehmen arbeiten. Mit der Server Edition können mehrere Personen gleichzeitig und von überall aus der Welt an einem VR-Produkt arbeiten. Das macht den ganzen Prozess natürlich viel schneller und einfacher“, erklärt Kate. Neben dem gewünschten VR-Produkt verkauft Varwin außerdem auch die Plattform separat als Software. So kann der unternehmenseigene Entwicklungsprozess beschleunigt werden.

Potential für Chemie und Health Care.

„Wir haben mit Varwin nie einen Fokus auf bestimmte Industriebereiche gelegt. Trotzdem stammen die meisten unserer Kunden bisher aus Bereichen mit gut skalierbaren Daten, beispielsweise aus der Logistik. Das liegt daran, dass wir bisher von Kundenanfragen ausgegangen sind, die eben immer aus diesen Bereichen kamen. Wir möchten unseren Kundenstamm aber erweitern und uns weiterentwickeln“, verrät Kate, „Im Bereich Chemie lässt sich mit VR sehr viel erreichen. Und auch Health Care und Medizin haben für VR-Projekte sehr viel Potential.“

Für Health Care, Medizin und Chemie sind aber nicht VR allein interessant, sondern vor allem die einzigartigen Möglichkeiten, die Varwin bietet.

„Im Health Care Bereich ist es sehr wichtig, schnell Änderungen vornehmen zu können. Beispielsweise müssen Kliniken den Stand eines Patienten sehr schnell anpassen können. Bisher geht das nur über die Entwickler. Und das dauert“, erklärt Kate, „Außerdem gibt es noch keine gemeinsam genutzte Plattform. Jede Klinik macht bisher ihre VR-Projekte irgendwie anders. Mit Varwin können sie die einzelnen Objekte untereinander austauschen.“

Den Wow-Effekt erzeugen mit VR.

„Die VR-Objekte sind übrigens keine Ansammlung aus Codes“, verrät Kate, „Auf unserer Plattform werden die Objekte für den Kunden so dargestellt, wie sie später auch aussehen sollen, also als kleine Bildchen. Außerdem gibt es eine Bibliothek mit allen VR-Objekten, die Teil des VR-Projekts sind. Damit können die Kunden Szenarien ganz einfach selbst erstellen“, erklärt Kate.

Allein im Health Care Bereich bieten sich daher für Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten mit Varwin: Von unterschiedlichen Medizin-Trainings und Rehabilitation über Psychotherapie und die Bewältigung von Ängsten bis hin zu Soft Skills Trainings, beispielsweise bei Patientengesprächen, bietet Varwin ein breites Spektrum an Anwendungsfällen. Aber auch weniger spezifische VR-Projekte sind mit Varwin denkbar, zum Beispiel human safety training, Anleitungen für Reparaturen oder Ähnliches und sogar zu Marketing- oder Demonstrationszwecken, um beispielsweise zu veranschaulichen, wie die eigenen Technologien in Zukunft arbeiten werden.

„Mit Varwin haben Unternehmen die Möglichkeit, mal eben die Sprache oder die Trainingsreihenfolge selbst zu ändern, Risikosituationen ohne großen Aufwand oder hohe Kosten zu proben oder sogar den großen Wow-Effekt zu erzeugen, wenn man die eigenen Geräte mit VR vorstellt“, erklärt Kate, „Wir haben also die passende Technologie für diese Bereiche. Das einzige, was uns noch fehlt, sind Use Cases – also Kunden.“ Daher habe sich das Startup auch an 5-HT gewendet.

Transparente und einfache VR.

Varwin arbeitete schon länger als VR-Studio, bis es im Frühling 2019 dann die Plattform veröffentlichte, mit der Kunden auch selbst an den VR-Produkten Änderungen vornehmen können. Damit unterscheidet sich Varwin eindeutig von anderen Unternehmen in dem Bereich.

„Während unserer Arbeit haben wir die Erfahrung gemacht, dass der VR-Prozess üblicherweise sehr teuer und vor allem sehr intransparent ist. Für viele Kunden war VR zu umständlich, da sie selbst bei kleinsten Änderungen einen Entwickler brauchten. Auf dem Markt fehlte damals eine Lösung für dieses Problem“, erzählt Kate. So entstand die Idee einer transparenten, kostengünstigen Plattform, die es dem Kunden ermöglicht, selbst an seinen Projekten zu arbeiten.

Bisher ist Varwin überwiegend in den USA aktiv, wo VR auch ein verbreiteteres Thema ist als in Deutschland. Mehr als fünf Jahre Erfahrung im IT-Bereich können alle rund 30 Mitarbeiter bei Varwin vorweisen. Auch Kate kommt aus diesem Bereich und ist erst seit einem halben Jahr bei Varwin. Dass sie für eine ‚transparente und einfache VR‘ brennt, merkt man im Gespräch mit ihr aber deutlich. Auch an Zielen für die Zukunft fehlt es Varwin nicht.

Das Varwin Team

„Derzeit unterstützen wir nur die Unity Engine, aber wir möchten in Zukunft auch Unreal unterstützen. Außerdem wollen wir in Zukunft auch mit Augmented Reality (AR) arbeiten“, erzählt Kate, „Aber bevor wir uns mit diesen Zielen auseinandersetzen, wollen in Europa Kunden gewinnen und uns auf dem deutschen Markt etablieren.“

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